Am zweiten Tag des Swiss Media Forums im Luzerner KKL diskutierten am Freitagvormittag die Manager der Schweizer Medienhäuser über die Umbrüche im laufenden Jahr und die Strategien für die Zukunft.
Fast schon gruppentherapeutisch startete die traditionelle Elefanten-Runde in diesem Jahr: «10vor10»-Moderatorin Susanne Wille, die die Gesprächsrunde führte, verlangte von den vier «Herren», dass sie sich zuerst gegenseitig ein paar Komplimente machen sollten. Nach etwas Räuspern und Suchen kamen dann auch ein paar Höflichkeiten über die Lippen.
Auf dem Podium Platz genommen hatten der neue NZZ-CEO Felix Graf, SRG-Generaldirektor Gilles Marchand, Tamedia-Verleger Pietro Supino und Ringier-CEO Marc Walder.
Trotz des zaghaften Auftakts: Zur Sache zu kommen, fiel in diesem Jahr leichter als sonst. Mit dem SDA-Tumult, dem Publicitas-Konkurs oder den Radiostudio-Protesten, mit dem Umbau der Tamedia-Redaktionen oder den beiden Branchen-Fusionen hatte sich in den letzten Monaten eigentlich genügend angesammelt. Das Medienjahr 2018 ist kein gewöhnliches Medienjahr.
Für Pietro Supino ist 2018 «kein besonders aufgeregtes Jahr», sagte der Tamedia-Verleger seelenruhig. Mehrere Ereignisse seien da eher «zufällig» zusammengekommen. Der Entscheid zur Einstellung von «Le Matin» zum Beispiel sei zwar 2018 gefallen, die ökonomischen Probleme dahinter hätten aber schon seit Jahren bestanden.
Dass es im Gebälk der Branche knarrt und kracht, wollte der Tamedia-Verleger aber auch nicht ausschliessen: Im Rückblick würden die Jahre 2015 bis 2020 vielleicht einmal als «Zeitenwenden» erscheinen, während der sich die Medien grundlegend veränderten, glaubt Pietro Supino.
Gilles Marchand griff im Rückblick aufs 2018 ein weiteres Mal das Votum gegen die «No Billag»-Initiative auf: Das Nein zu «No Billag» sei «kein Blanko-Check» für die SRG gewesen, es hätte viele «Nein, aber» gegeben. «Wir können nicht so bleiben, wie bisher», folgtert der SRG-Generaldirektor und positionierte sich selbst als Kraft des Wandels.
Für den Ringier-CEO war 2018 ein «typisches Jahr»: Es zeige, wie sehr die Medienindustrie «unter Druck» stehe. In den letzten 20 Jahren hätten die Schweizer Zeitungen einen Viertel der Auflage eingebüsst und 700 Millionen Franken Werbevolumen verloren, rechnete Marc Walder vor, und dies auf ein Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Franken. Auf den digitalen Plattformen seien dagegen nur 50 Millionen zurückgewonnen worden. «Das ist ein Fundamentalproblem und das bleibt so», diagnostizierte der CEO von Ringier.
Für mehr Erstaunen sorgte Walders Wortbeitrag: Digitaler Journalismus sei «enorm teuer». Das Gegenteil sei eine «Mär». «Wir haben gesehen, dass digitaler Journalismus heute teurer ist als Zeitungen zu drucken und zu vertreiben», warf der Ringier-Chef in die Runde. «Mit digitalem Journalismus kann man Geld verdienen, aber nur mit viel weniger Publikationen als heute».
Mit bloss «inkrementellen Schritten» käme die Branche nicht voran, meinte Marc Walder. Und forderte, ohne Namen zu nennen: «Es braucht grosse Schritte bis hin zu Schulterschlüssen zwischen den Verlagen.»
Ringier habe sich aus dem Journalismus «überhaupt nicht verabschiedet», konterte Marc Walder eine Spitze von Moderatorin Susanne Wille. Man habe aber, wie Tamedia oder Axel Springer auch, «radikal versucht, weniger abhängig zu werden vom Journalismus». In die Online-Marktplätze, das scheint bei Ringier in Stein gemeisselt zu sein, will Walder auch in Zukunft weiter investieren.
Anders als Ringier und Tamedia war die NZZ seinerzeit nicht aufs Marktplatzgeschäft aufgesprungen. Felix Graf sagte dazu etwas zurückhaltend: «Die Diversifikation ist nicht die Lösung für die nachhaltige Rettung der publizistischen Angebote.» Langfristig müsse das publizistische Geschäft in sich selbst profitabel sein.
Der Trumpf der «Neuen Zürcher Zeitung» sieht ihr neuer CEO in der Flagge seines Flaggschiffs: der Marke NZZ. Es werde eine Konsoldierung geben, «auch aus Kundensicht - und wir haben einen starken Brand». Eigentlich sei es die «beste Zeit für Qualitätsjournalismus», ist Felix Graf optimistisch.
Für den SRG-Obersten wiederum stehen beim Blick in die Zukunft «drei Prioritäten» zuoberst: «Mehr Unaustauschbarkeit, mehr Kooperationen in der Schweizer Medienbranche und mehr Effizienz, das heisst mit weniger Geld unseren Leistungsauftrag erfüllen», zählte Gilles Marchand auf.
Pietro Supino wiederum zählte «vier Standbeine»: Bezahlmedien, Werbemarkt, Marktplätze und die Beteiligungen. «Wenn wir nicht diversifizieren würden, so würden wir schrumpfen als Unternehmen.»
Beim ersten Standbein, den Bezahlmedien, sei die Konsolidierung in der Schweiz «weitgehend abgeschlossen». Hier könne man nun die Zukunft gestalten. Dazu braucht es für den Tamedia-Verleger: Qualität, neue Technologien, die Vermarktung im digitalen Raum sowie neue Werbemöglichkeiten.
Leider sei es noch nicht gelungen, aus diesen Elementen eine «Geschichte der Transformation» zu stricken, an die man glauben könne, gab sich Pietro Supino explizit selbstkritisch. Das «Narrativ des Untergangs» sei stärker.
Supino griff zu einem noch stärkeren Bild: Es gebe auch in Medienunternehmen ein paar «Brunnenvergifter». Diese würden «auch aus egoistischen Motiven die Veränderungen hintertreiben, weil sie an ihren Pfründen festhalten wollen, so wie sie sind. Und wir müssen lernen, dass wir uns von solchen Mitarbeitenden trennen, die nicht konstruktiv Kritik üben und nicht an dieser Geschichte der Transformation mitarbeiten wollen.»