Einen Tag vor der Aktionärsversammlung der TX Group appelliert Syndicom an die Verlegerfamilie Supino-Coninx: Statt Dividenden auszuschütten soll ein Notfonds geäufnet werden, um das Medienhaus sicher durch die Krise zu bringen.
Laut dem «dringenden Antrag» an den Verwaltungsrat, der dem Klein Report vorliegt, sollen die Dividenden und die «gewinnabhängigen Vergütungen» für das Geschäftsjahr 2019 in einen «Fonds für Medienvielfalt und gute Arbeitsbedingungen» einbezahlt werden.
«Es geht darum, mit diesem Geld die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu bewältigen, in die Medienvielfalt zu investieren und Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen zu sichern», sagte Stephanie Vonarburg, Leiterin Sektor Medien und Mitglied der Geschäftsleitung von Syndicom, gegenüber dem Klein Report.
Der Fonds soll gemeinsam zwischen dem Verwaltungsrat und den Personalkommissionen verwaltet werden, so Vonarburg weiter. «Trotz Krise sind die Löhne und Arbeitsplätze zu sichern.»
In diesem Fonds käme einiges zusammen: Bei über 1 Milliarde Franken Umsatz beträgt der Gewinn der TX Group fürs 2019 rund 98 Millionen Franken. Der Verwaltungsrat hat der Aktionärsversammlung Anfang März, also noch vor dem vollen Ausbruch der Corona-Krise, eine Dividendenausschüttung von total 37 Millionen beantragt und für die achtköpfige Unternehmensleitung Vergütungen von insgesamt über 8 Millionen sowie für den Verwaltungsrat mehr als 2 Millionen Franken vorgesehen.
Die durch einen Aktionärsbindungsvertrag mit 70 Prozent beteiligte Verlegerfamilie hat in den Jahren von 2010 bis 2018 mehr als zwei Drittel von 429,4 Millionen Franken Dividendenzahlungen erhalten, rechnet die Gewerkschaft vor. Das Vermögen der Verlegerdynastie Coninx schätzte die «Bilanz» 2019 auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken.
«Es ist stossend, wenn Firmen, die Staatskredite oder, wie die TX Group, Kurzarbeitsgelder beziehen, gleichzeitig mit grosszügigen Dividendenzahlungen die eigene Firma schwächen», heisst es in dem Antrag weiter - ganz ähnlich wie in einem offenen Protestbrief an Pietro Supino, den seit einer Woche fast 2300 Personen unterzeichnet haben.
Wenn nun nicht auf die Dividenden verzichtet werde, komme der Eindruck auf, der Spitze des Unternehmens sei das Füllen der eigenen Taschen wichtiger als die Rettung der Medien und das Schicksal der Angestellten.
«Wenn Sie mit einer aussergewöhnlichen Situation konfrontiert sind, brauchen Sie aussergewöhnliche Antworten. Nun muss die Verlegerfamilie als Mehrheitsaktionärin zeigen, dass sie in einer aussergewöhnlichen Situation aussergewöhnliche Entscheidungen treffen kann», appelliert Syndicom an die Verlegerfamilie.
Gefordert hatte die Gewerkschaft einen Boni- und Dividendenverzicht zum ersten Mal, als die TX Group vor zwei Wochen Kurzarbeit angemeldet hat. Was seither von der Unternehmensspitze kam, ist schon fast symbolisch: Nicht fürs 2019, sondern fürs magere Krisenjahr 2020 wolle die Geschäftsführung auf ihre Gewinnbeteiligung verzichten, liess sie vor einer Woche verkünden. Ein Dividendenverzicht sei «kein Diskussionsthema».
Dabei würde die TX Group nur das tun, was andere Unternehmen auch tun. Zum Beispiel haben die Aktionäre von CH Media vor Kurzem auf ihre Dividenden fürs 2019 verzichtet und das Kapital zumindest als Darlehen im Unternehmen gelassen.
Und die Forderung kommt auch längst nicht nur von den Gewerkschaften: Gegenüber den Banken kündigte Finma-Chef Mark Branson am Dienstag an, dass er jenen Banken, die den Warnrufen zum Trotz jetzt Dividenden ausschütteten, die Kapitalerleichterungen kürze, die zur Abfederung der Corona-Krise beschlossen worden sind.
Wird Pietro Supino an der Aktionärsversammlung am Freitag ein Ohr für die Forderung haben? Hoffen dürfe man immer, so Stephanie Vonarburg zum Klein Report. «Bis heute stiessen solche Anträge im Interesse des Personals kaum auf Gehör. Die Situation ist heute hoffentlich aber anders. Immerhin hat der interne und externe Druck schon eine Wirkung beim Lohnausgleich auf 100 Prozent gezeigt. Ebenso bei den Boni für das Jahr 2020.»
Wenn der Antrag nicht durchkommt, bedeutet das für Vonarburg, «dass der Verlegerfamilie und der Unternehmensleitung ihre Dividenden und Bezüge wichtiger sind. Von den über 300 Millionen Franken, die die Hauptaktionäre zwischen 2010 und 2018 bezogen haben, bleibt sicher noch etwas zum Leben übrig - auch ohne Dividenden 2019.»