Welche Verantwortung tragen die Zeitungsredaktionen für abschätzige oder gehässige Inhalte auf ihren Online-Leseforen? Bei der «Tribune de Genève» hatte sich eine Leserin an Dutzenden von User-Kommentaren gestört, die sich in roher Sprache über Ausländer, Grenzgänger und Beamte ausliessen.
«Der Presserat sieht sich nicht als Wächter der ‚political correctness’», betont das Aufsichtsgremium, bei dem die Genfer Leserin mit zahlreichen ausländerfeindlichen Belegen Beschwerde einlegte. Die Online-Foren seien eine Plattform der Meinungsäusserung «und sollten auch hinsichtlich des Tons weitreichend frei sein».
In zwei der beanstandeten Online-Kommentaren ist für den Presserat aber die Grenze zur Diskriminierung klar überschritten. Ein User setzte den Islam als solchen mit «Terrorismus, niederträchtigen Morden an unschuldigen, unbewaffneten Personen» gleich. Ein anderer kommentierte eine Räude-Epidemie unter Asylsuchenden mit dem Satz: «Sie selber sind die Räude.»
In einem früheren Entscheid hatte der Presserat festgestellt, dass die Redaktionen in der Auswahl der Leserbriefe Rücksicht auf das politische Klima nehmen sollten: «Je aufgeheizter die Stimmung der Bevölkerung ist, umso strikter ist auf latent diskriminierende Leserbriefe zu verzichten», so die vom Rat postulierte Faustregel.
Auch die Kontrolle der Online-Foren auf diskriminierende Aussagen «bedarf grösster Aufmerksamkeit», stellt das Gremium klar und rügt die «Tribune de Genève» wegen der beiden offen diskriminierenden User-Kommentare.