Sie galt als Kronfavoritin auf die Nachfolge von SRF-Direktor Ruedi Matter: Nathalie Wappler, 48. Doch Ende 2016 verliess die als erfolgreich und durchsetzungsstark gelobte Kulturchefin des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) den Sender. Nathalie Wappler wechselte als Programmdirektorin zum MDR in die ostdeutsche Provinz nach Halle.
In Zürich und Basel werden sie nur wenige Menschen vermissen. Auch wenn Direktor Ruedi Matter in der Pressemitteilung voll des Lobes war, hinterliess Wappler bei Weitem keine flächendeckend trimediale Abteilung, wie Insider berichten. Abgesehen von wenigen Vorzeigeformaten wie dem «Dada Data-Projekt» (Grimme Online Award 2016) ist man am Zürcher Leutschenbach im Daily Business noch weit von einer Trimedialität entfernt.
Da werden zwar Sendungen online gestellt, aber wo bleibt der Dialog zwischen Sender und Zielpublikum? Dass bei SRF trimedial, wie beim grossen Vorbild BBC, gearbeitet würde, bleibt vorerst ein Mythos.
Was viel schlimmer ist: Kaum jemand bremste und verhinderte innerhalb von wenigen Jahren so viele Karrieren wie die in Kreuzlingen aufgewachsene Wappler, die nach aussen stets die sanfte, intellektuelle und freundlich lächelnde Abteilungsleiterin gab. Intern wurde Wappler unrühmlich als «das Fallbeil vom Leutschenbach» betitelt. Es galt bei SRF als oberstes Gebot, sich nicht mit Nathalie Wappler anzulegen.
Die hochintelligente Wappler studierte Politik, Geschichte und Germanistik in Konstanz, arbeitete bei «Kulturzeit» (3sat), «Aspekte» und «Berlin Mitte» (beide ZDF). Die gebürtige Ostschweizerin kam 2005 zum SRF-«Kulturplatz» nach Zürich. 2008 übernahm sie die «Sternstunden» als Redaktionsleiterin. Ihr langjähriger deutscher Förderer Rainer Schaper war in der Zwischenzeit Kulturchef des Schweizer Fernsehens geworden und förderte seine frühere 3sat-Mitarbeiterin auch in der Schweiz.
Als Schaper im langwierigen Konvergenz-Prozess im Rahmen der Zusammenlegung von Schweizer Radio und Fernsehen 2009 in die Bredouille geriet, übernahm Wappler dessen Mandat in der Arbeitsgruppe. Und nicht nur das: Sie verdrängte ihren ehemaligen Förderer und wurde unter Ruedi Matter zur neuen Kulturchefin von SRF gewählt. Schaper arbeitete anschliessend noch sechs weitere Jahre als gewöhnlicher Redaktor, unter anderem beim «Literaturclub». Eine solche Demütigung hatte es am Leutschenbach wohl noch nie gegeben.
Doch Wappler machte munter weiter: Peter Studhalter, der bei SRF für die Fernsehfilme zuständig war, wurde nach dem «Tatort»-Skandal im Herbst 2011 geopfert. Wappler hatte die Folge «Wunschdenken» von Regisseur Markus Imboden aus Qualitätsgründen zurückgewiesen. Dabei hatte der in der Branche hoch angesehene Luzerner, der viele Jahre bei RTL in Köln für die Sparte TV-Movie verantwortlich zeichnete, es geschafft, die Schweiz wieder in den «Tatort»-Verbund einzugliedern und die Qualität der Eigenproduktionen markant zu verbessern. Auch die SRF-Erfolgsserie «Der Bestatter» geht auf Studhalters Konto.
Bereits im Mai 2011 kam Regula Bochsler unter die Räder. Die langjährige Redaktionsleiterin des «Kulturplatz» outete sich zu Beginn noch als Fan der neuen Chefin, von der sie wenig später kalt ins Abseits gestellt wurde. Weitere «Opfer» Wapplers: Ihre Kultur-Stabschefin Andrea Tedeschi, «Literaturclub»-Moderator Stefan Zweifel, ihre Online-Bereichsleiterin Monica Cantieni und zuletzt noch ihre Stellvertreterin Franziska Baetcke, Programmleiterin Radio SRF2 Kultur.
Baetcke wurde für den Relaunch des Radios noch in den höchsten Tönen gelobt, wenig später verliess sie das Unternehmen. Man müsse eine Bereichsleiterstelle einsparen, hiess es dazu. Stattdessen beförderte Wappler Barbara Gysi. Die neue Programmleiterin beerbte Baetcke und war so aus dem Rennen um die Nachfolge Wapplers.
«Diese Frau überlässt absolut nichts dem Zufall, wenn es um ihre Karriere geht», berichten Insider einstimmig darüber, wenn es darum geht, wie geschickt Wappler sich immer im Dunstkreis der SRG-Führungsriege aufhielt. Clever auch, dass sie Roger de Weck als Moderator in die «Sternstunde Philosophie» holte. Dem späteren SRG-Generaldirektor stand sie sehr nah, was für ihre spätere Wahl zur Kulturchefin sicher kein Nachteil war.
Am Leutschenbach munkelt man, dass es in Matters Führungsriege um dessen Stellvertreter Hansruedi Schoch und Andrea Hemmi, Leiterin Kommunikation bei SRF, Unstimmigkeiten mit und um Wappler gab. «Doch wer die Ostschweizerin kennt, weiss, dass sie so schnell nicht aufgibt», sagt eine Quelle aus dem Fernsehstudio.
Noch immer soll sie intakte Chancen auf Matters Nachfolge haben. Die ehrgeizige Wappler, beim ZDF in Mainz berühmt dafür, dass sie «äusserst ungehalten reagierte», wenn nicht sie, sondern andere befördert wurden, gerät für diese Position ganz gewiss ins Grübeln. Der Programmdirektorenjob in Halle an der Saale ist, bei allem Respekt, kein Vergleich zum Posten als SRF-Direktorin in Zürich.
In einem umfangreichen Fragenkatalog wurde Nathalie Wappler vom Klein Report mehrfach auf die zahlreichen Mitarbeitenden, die während ihrer Führung das SRF verlassen hatten, angesprochen. Zu den Gründen der personellen Abgänge wollte sie sich nicht äussern.
Hingegen äusserte sich Wappler zur möglichen Nachfolgeregelung um den SRF-Direktionsposten: «Die Nachfolge von Ruedi Matter ist derzeit kein Thema. Auch für mich nicht», wusste sie zu berichten.