Aus dem «Kunden» wird ohne Umschweife eine «Kundin», aus dem «Zuschauer» eine «Zuschauerin». Doch ist die weibliche Form «Gästin» korrekt? Der allerhöchste Sprachschiedsrichter aus deutschen Landen meint: Ja. Der Klein Report hat sich in den Wörterbüchern und in der von Duden angestossenen Facebook-Debatte umgesehen.
Was heute von manchen als überkorrekt und neumodisch empfunden wird, war in früheren Zeiten gang und gäbe: Ausdrücke wie «Gästin», «Engelin» oder «Geistin» sind nicht der Frauenemanzipation geschuldet, sondern galten noch übers 19. Jahrhundert hinaus als richtig.
In dem Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird ein Beispiel aus dem 16. Jahrhundert zitiert: Da steht in einem obrigkeitlichen Reglement, «das kein burger oder burgerin, gast oder gestin in diser stat Nuremberg peteln sol». «Gästin» werde «neuerdings» - das heisst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als an dem «G»-Band des monumentalen Wörterbuchs gearbeitet wurde - auch «gebraucht von schauspielerinnen, die auf gastspiel kommen». Und in den Schriften des Mittelalters sei der Ausdruck sogar «ziemlich oft» anzutreffen, heisst es weiter bei den Grimms, deren Werk erst 1954 nach hundertjähriger Arbeit mit dem 32. Band vollendet worden ist.
Auf Facebook dagegen wird spürbar, wie sehr die «Gästin» die heutige Ohren irritiert. Das Posting der Duden-Redaktion spaltete am Montag die Meinungen in den Kommentarspalten: «Gender mich nicht voll!», meinte eine erboste Userin. «Wer sprachlich so dermassen auf gendergerechte Formulierungen pocht, betont meiner Meinung nach erst recht den Unterschied zwischen den Geschlechtern», schreib eine andere Nutzerin. Eine dritte fand «Gästin» schlicht «klasse!».
«An die Gender-Basher» unter seinen Vorgängern und Vorgängerinnen wandte sich ein Kommentator mit männlichem Namen und Foto: «Gästin» tauche auch bei «unverdächtigen Grössen» wie Goethe, Nietzsche oder Schnitzler auf. «Nur weil man überall gerechte Sprache vermutet (die im Übrigen nichts schlimmes ist), muss man nicht alles gleich verteufeln.»
Und zu guter Letzt: Auch ein gutschweizerischer Kompromissvorschlag war unter den Kommentaren auf der Facebook-Seite der hochdeutschen Sprachpolizistin zu vernehmen: Wieso die Duden-Redaktion nicht einfach das grammatikalische Geschlecht neutralisiere, also «das Gast» zur Norm erkläre, fragte da eine Userin sec.
Ob Ironie die Mutter dieses Gedankens war, war vor Redaktionsschluss nicht mehr schlüssig in Erfahrung zu bringen.