Seit zehn Jahren erscheint das «Jahrbuch Qualität der Medien». Und seit zehn Jahren macht diese Publikation den Verlegern und Medienschaffenden hierzulande keine grosse Freude.
Denn mit was sich Zeitungen und Zeitschriften in zurückgehenden Abo- und Leserzahlen sowie beim Schwund von Anzeigen dauernd konfrontiert sehen, erhält im «Jahrbuch» seinen wissenschaftlichen Unterbau.
So macht die aktuelle Ausgabe des «Jahrbuchs» wie schon in den Jahren zuvor einen weiteren Anstieg von «News-Deprivierten» aus, die nur sporadisch Informationen zur Kenntnis nehmen und vorwiegend Unterhaltungsangebote konsumieren.
Auch die Zunahme an «Global Surfern», die eher international als national Medien konsumieren, oder gar die «News-Avoider», die aktiv und bewusst News verweigern, sind keine Basis, die sich professionelle Informationsmedien wünschen.
Auf der Ebene der User also kein guter Trend für etablierte Medien. Und auf der Ebene des digitalen Strukturwandels der Medienindustrie setzten globale Tech-Giganten wie Facebook, Google und Youtube die schweizerische Medienöffentlichkeit einem weitreichenden Wandel aus.
Die «Plattformisierung» bedränge den professionellen Informationsjournalismus, der in den letzten Jahren einem messbaren Erosionsprozess ausgesetzt sei, schreiben die Autoren im «Jahrbuch». So sei der Nutzungsanteil von Abonnementszeitungen innerhalb von zehn Jahren von 56 Prozent auf 32 Prozent gesunken, während Online-Informationsquellen von 52 Prozent auf 61 Prozent gestiegen seien, stellen die Wissenschaftler des Forschungsinstitus Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich fest.
«Mit einem Anteil von 70 Prozent im Jahr 2019 sind Social Media in der Bevölkerung der am weitesten verbreitete Newskanal», so das fög. Sie seien mittlerweilen ein fester Bestandteil des «Medienmenüs» der Schweizerinnen und Schweizer. Allerdings seien die Nutzungsmotive eher auf Unterhaltung und Socializing denn auf Information ausgerichtet.
In der Schweiz ist WhatsApp heute die meistgenutzte Social-Media-App. Rund drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer (74%) verwenden die App mindestens einmal pro Woche.
«Auch zu Newszwecken wird WhatsApp heute bereits von 26 Prozent der befragten Nutzer in der Schweiz regelmässig verwendet.» Das entspreche einer Zunahme von 7 Prozent seit 2016, so die Zürcher Forscher.
Und die Autoren warnen: «Der starke Bedeutungsgewinn der Messengerdienste kann für die demokratische Gesellschaft weitreichende Folgen haben. Eine funktionierende demokratische Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass sich der relevante gesellschaftspolitische Diskurs in ausreichendem Mass in der Öffentlichkeit und nicht im Verborgenen vollzieht.»
Allerdings, und das ist die gute Nachricht für NZZ, Tagi und Co. «wird klassischen Informationsmedien deutlich mehr vertraut (47%) als den Suchmaschinen (29%) oder Social Media (17%) als Informationsquellen».
Aber leider bleibe die Zahlungsbereitschaft für Onlinenews tief, lediglich 11 Prozent der Schweizer Mediennutzerinnen und -nutzer gaben 2019 an, für digital verfügbare Inhalte zu bezahlen.
Ganz anders sieht das bei Streaming-Unterhaltungsangeboten wie Netflix, Amazon Prime oder Spotify aus. Wenn die Nutzer sich zwischen einem Newsangebot oder einem unterhaltungsorientierten Angebot entscheiden müssten, würden bei den 18- bis 24-Jährigen gerade einmal 4 Prozent das Newsabo wählen, 83 Prozent hingegen das Unterhaltungsangebot.
Die Medienwissenschaftler fordern als Konsequenz aus der Plattformisierung einen «neuen Medienpatriotismus». Journalistische Informationsmedien seien für einen demokratischen Nationalstaat wie die Schweiz unverzichtbar. «Die Stützung des nationalen Systems professioneller Informationsmedien muss sowohl staatliche wie darüberhinausgehende Massnahmen umfassen.»
Im Raum stehe überdies die Vision einer schweizerischen digitalen Allmend, «die überall dort auf Kooperation setzt, wo der publizistische Wettbewerb als Voraussetzung für einen aufgeklärten, vielfältigen Diskurs nicht geschmälert wird. Also Kooperation im Infrastrukturbereich, jedoch Wettbewerb im inhaltlich-publizistischen Bereich», schreiben die Verfasser des «Jahrbuchs».