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Montag
26.09.2016

Medien / Publizistik

Mit 65,5 Prozent Ja-Stimmen hat sich das Schweizer Stimmvolk am Sonntag überraschend deutlich für die Ausweitung der Überwachungsbefugnisse des Geheimdienstes entschieden.

Zur Abstimmung stand ein vom Parlament bereits gebilligtes Gesetz, dass dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) zur Abwehr von Terroranschlägen in Einzelfällen gestattet, Telefonate abzuhören, Wohnungen zu verwanzen und Computer anzuzapfen.

Das deutliche Ja falle damit höher aus als erwartet, sagte Politologe Claude Longchamp im SRF-Abstimmungsstudio. Denn mit «der Terrordiskussion in Europa ist ein neues, hoch emotionales Phänomen zum Abstimmungskampf dazugekommen.»

Gegen das verschärfte Gesetz hatte das «Bündnis gegen den Schnüffelstaat» das Referendum ergriffen. Verschiedene Organisationen haben sich mit Vertretern von Grünen und SP gegen die Vorlage gestellt. Die Gegner befürchten bei einem Ja eine «Totalüberwachung». Diese biete zu wenig Schutz der Privatsphäre. Bei diesem Bündnis ist auch die Gewerkschaft Syndicom dabei, die am Sonntagnachmittag mit der Annahme des Gesetzes den Weg frei sieht, «für die Aushöhlung des Quellenschutzes und des Redaktionsgeheimnisses», so Syndicom: «Zwei wichtigen Grundpfeilern der Medienfreiheit.»

Medienschaffende seien darauf angewiesen, «dass ihre Informationen und deren Herkunft vertraulich bleiben. Das neue Nachrichtendienstgesetz ist kein Bollwerk gegen den Terrorismus, als das es der Bevölkerung verkauft wurde, sondern ein Angriff auf die unabhängige Informationsbeschaffung und damit auf die Unabhängigkeit der Medien», verdeutlicht Syndicom den Sachverhalt.

Auch die Antwort des Schweizer Syndikats Medienschaffender (SSM) auf die Abstimmung liess nicht lange auf sich warten: «Das SSM bedauert, das Ja zum Nachrichtendienstgesetz, welches das Redaktionsgeheimnis, den Quellenschutz und damit die Medienfreiheit konkret bedroht», schreibt Stephan Ruppen vom Zentralsekretariat SSM am Sonntagnachmittag in einer Mitteilung. «Insbesondere der Schutz von Informanten, welche auf Vertraulichkeit angewiesen sind, wird ausgehöhlt», sagt Ruppen.

Mit dem Ja zu diesem Gesetz erfolgt eine weitere Aushöhlung der Grundrechte im Medienbereich. Dies bedeutet eine weitere «Verpolitisierung» und eine massive Beschneidung der Unabhängigkeit der Medien gegenüber den politischen Parteien. «Das Ja zum Nachrichtendienstgesetz ist umso fataler, als der Medienfreiheit und der Unabhängigkeit der Medien aus einer anderen Ecke Gefahr droht», sagt Ruppen.

Die nationalrätliche Fernmeldekommission (KVF-N) schlägt vor, gewisse Kompetenzen zur Erteilung und Definition der Konzessionen für Radio und Fernsehen vom Bundesrat ans Parlament zu übertragen. Sollte sich der Kommissionsvorschlag durchsetzen, werde einer Politisierung der Medien Tür und Tor geöffnet. Diese Logik gegenüber Radio und Fernsehen werde auch vor anderen Medien nicht haltmachen.