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Montag
30.01.2012

Die «NZZ am Sonntag» hat das Ansehen der NZZ-Gruppe mit ihrer Berichterstattung über den tiefen Fall ihres Verwaltungsratspräsidenten gerade noch geglättet. Das Sonntagsblatt, dem Konrad Hummler im VR vorsteht, beschreibt den Ablauf des Notverkaufs der ältesten Privatbank Wegelin & Co. wie folgt: Am 16. Januar 2012 hat sich der wie Hummler unbeschränkt haftende Teilhaber Otto Bruderer telefonisch bei Raiffeisen-Chef Pieren Vincenz, dem späteren Käufer des Nicht-US-Geschäftes der Wegelin & Co., gemeldet, um dessen Kaufinteresse abzufragen.

Die «NZZ am Sonntag» schreibt: «Es war nicht Bankchef Konrad Hummler, der den ersten Schritt zum Verkauf unternahm. `Bruderer musste Hummler die Realitäten aufzeigen`, sagt einer, der eng mit beiden zusammengearbeitet hat», schreibt die Zeitung. Und weiter: «`Er musste ihn zwingen.` Die Realitäten waren dramatisch. Institutionelle Kunden hatten begonnen, ihre Anlagen von Wegelin abzuziehen. Stiftungsräte von Pensionskassen wurden angesichts des Ärgers von Wegelin mit der US-Justiz nervös.»

Die älteste Privatbank der Schweiz drohte nach dem enormen Abfluss von Kundengeldern zu implodieren. An der Medienkonferenz am Freitagnachmittag im Börsengebäude in Zürich verstieg sich Adrian Künzi, ehemaliger Wegelin-Partner und jetzt Leiter der neu gegründeten Notenstein Privatbank, zur Aussage, dass die hohe Kadenz von Medienartikeln es der Privatbank schwer gemacht hätten.

Aber nicht nur die bösen Medien waren (angeblich) mitschuldig am Niedergang der Privatbank. Interessant ist die Medienmitteilung der Wegelin & Co. vom 9. Januar, welche die beiden Journalisten Sebastian Bräuer und Charlotte Jacquemart zur Beweisführung heranzieht: Darin habe die Bank den Eindruck erweckt, «die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank stünden im Ernstfall hinter der Bank». Das Interbankengeschäft dürfe unter keinen Umständen gestört werden, «die Behörden stünden in der Verantwortung», zitiert die «NZZ am Sonntag» aus der Wegelin-Mitteilung.

Weit über aktive Bankkreise hinaus war bekannt, dass die St. Galler Privatbank 2008 ehemalige Kunden der UBS mit zum Teil undeklarierten Geldern mit offenen Armen aufgenommen hat - im Gegensatz zu anderen Banken. Zur Erinnerung in einem Satz und zuhanden von Konrad Hummler: Die UBS ist mit Notrecht vor dem Untergang gerettet worden!

In den ersten Januartagen sind dann in den USA drei Banker von Wegelin & Co. angeklagt worden, die US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen haben sollen. In der Berichterstattung der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Samstag kommt das nur untergeordnet zur Sprache: «Die Bank habe zahlreiche frühere UBS-Kunden mit undeklarierten Konti übernommen, die 2008 die Grossbank verlassen hatten - eine Strategie, die von den Teilhabern laut Anklage gestützt wurde», so die NZZ. «Als `Mitverschwörer` wird dabei der Leiter der Zürcher Wegelin-Niederlassung bezeichnet, der vorige Woche beurlaubt wurde.»

NZZ-Verwaltungsratspräsident Konrad Hummler wird in der gesamten Berichterstattung der NZZ eher als Opfer dargestellt, was über dessen PR-Mann Jörg Denzler medial verbreitet wurde. Es gipfelt auf der Frontseite mit der Schlagzeile: «Wegelin Opfer des Steuerstreits», es folgt der Satz: «Der Steuerstreit mit den USA bringt die St. Galler Privatbank Wegelin zu Fall.»

Eine doch sehr stark strategisch gefärbte Berichterstattung, in der die «Neue Zürcher Zeitung» eigentlich den kommunikativen Gau zu bewältigen hat: Der oberste Chef aller NZZ-Journalisten steht im Mittelpunkt der Banken-Affäre: Konrad Hummler.

Der Chefredaktor der NZZ, Markus Spillmann - mit dem Kürzel msn -, schreibt denn auch in der Samstagsausgabe einen Kommentar zu Wegelin & Co. und über seinen obersten Chef, was aber mit keinem Wort zur Transparenzbildung irgendwo erwähnt wird. Und auch er dreht die Geschichte schon im Titel auf eine übergeordnete staatliche Ebene: «Ein Weckruf für die Schweiz», mit der Unterzeile: «Mit dem Verkauf der Bank Wegelin handeln die Teilhaber verantwortungsvoll.»

Des Pudels Kern wird so kommentiert: «Mag sein, dass die forcierte Aufnahme von ehemaligen `amerikanischen` Kunden der UBS durch die Bank Wegelin noch im Frühling 2008 leichtfertig war.» In einem wahrscheinlich unter grossem emotionalen Druck geschriebenen Text mutet das doch seltsam an, findet der Klein Report.

Es ehrt den Chefredaktor, dass er auf der menschlichen Ebene seinen früher manchmal gar redseligen Verwaltungsratspräsidenten Konrad Hummler mehrfach in Schutz nimmt: «Wer so handelt, handelt verantwortungsvoll und verdient Respekt.» Leider versteigt er sich dann, wenn es heisst: «Der Preis aber ist hoch. Die Teilhaber geben ihr Lebenswerk auf. Es gleicht dabei einer freiwilligen Opfergabe an die Amerikaner...». Gewissen Kreisen in Washington sei damit vielleicht auch eine politisch kostbare Trophäe entzogen worden, stützt Spillmann die Opferrolle.

Der Klein Report muss hier etwas an die freie Marktwirtschaft erinnern: Natürlich ist die Privatbank Wegelin & Co. nicht systemrelevant, sie hängt aber auch nicht am Staatssäckel. Deshalb ist Konrad Hummler auch kein kleiner Staatsangestellter, sondern Unternehmer. Notabene mit (vorerst) ein paar Millionen Franken mehr im Portemonnaie.

Aber genau auf eine implizite Staatsgarantie zielte Wegelin & Co. in ihrer Pressemitteilung vom 9. Januar, wie Charlotte Jacquemart und Sebastian Bräuer unaufgeregt analytisch rekapitulieren: Wegelin habe nicht nur implizit zu verstehen gegeben, dass eine Klage durch das US-Justizministerium realistisch ist. Auch das bereits erwähnte Insuinieren der Privatbanker, dass die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank im Ernstfall hinter der Bank stünden, löste in Bundesbern Kopfschütteln aus.

«Das Statement war nicht mit der SNB abgesprochen», wird Nationalbank-Sprecher Werner Abegg in der «NZZ am Sonntag» zitiert. Gleiches gelte für die von der Zeitung angefragte Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.

Die «NZZ am Sonntag» schlussfolgerte: «Die Überschrift des Communiqués, `Keine Gefahr für Wegelin`, wurde zum Boomerang.»

Welche Gefahren und welcher Boomerang sich für den Verwaltungsrat der NZZ ergeben, können zum jetzigen Zeitpunkt nur erahnt werden.

Am 26.1.2012 gabs in Zürich einen Stromausfall: Probleme auch bei der NZZ