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Mittwoch
10.05.2017

Medien / Publizistik

«Strahlender Sieger»: Das Bundesstrafgericht

«Strahlender Sieger»: Das Bundesstrafgericht

Zweifelhafte Ehre für das Bundesstrafgericht in Bellinzona: Die Tessiner Behörde wird vom Schweizer Recherche-Netzwerk investigativ.ch mit dem Goldenen Bremsklotz 2017 ausgezeichnet und sichert sich damit den Preis als «Informationsverhinderer des Jahres».

Grund ist das Urteil des Gerichts gegen den RTS-Journalisten Joël Boissard: Die Bundesstrafrichter bestraften ihn wegen Wahlfälschung, dabei habe er mit seiner Recherche eine Sicherheitslücke im Wahlsystem aufgedeckt, begründet der Verein investigativ.ch die Wahl in einer Mitteilung vom Dienstag.

So habe Boissard im Frühling 2015 seine Abstimmungsunterlagen doppelt erhalten und via Genfer E-Voting-System tatsächlich zweimal abstimmen können. «Eine Sicherheitslücke, die Boissard sofort den Behörden meldete und anschliessen in einem Beitrag thematisierte», schreibt das Recherche-Netzwerk weiter.

Trotzdem habe ihn das Strafgericht zu zwei Tagessätzen à 200 Franken verurteilt und das doppelte Abstimmen in seinem Urteil als «unnötig» und «nicht sachdienlich» bezeichnet. Aus Sicht der Mitglieder von investigativ.ch ein völlig falsches Signal. «Wahlen und Abstimmungen sind zentrale Säulen unserer Demokratie. Es besteht ein grosses öffentliches Interesse, Mängel und Schwachpunkte aufzudecken», so der Verein.

Überhaupt würden Staatsanwälte und Richter selten Pardon kennen, wenn «Journalisten während der Recherche die Grenzen der Legalität ritzen». Selbst wenn der aufgedeckte Missstand gravierend und das öffentliche Interesse gross sei.

«Dabei könnten die Richter Journalisten in solchen Fällen wegen ´Wahrung berechtigter Interessen` freisprechen», erklärt investigativ.ch-Co-Präsident und Jurist Dominique Strebel. Er betont weiter, dass das öffentliche Interesse an Recherche in der Rechtsprechung mehr Gewicht bekommen müsse.

Seiner Meinung nach habe das Gericht den Schmähpreis deshalb redlich verdient. Neben dem Bundesstrafgericht waren auch das Eidgenössische Personalamt und das Kantonsgericht Graubünden für den Goldenen Bremsklotz nominiert. Der Sieger wurde von den Mitgliedern des Vereins mittels Online-Voting ermittelt, die Preisverleihung findet am 10. Mai in Zürich statt.