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Dienstag
24.11.2020

Medien / Publizistik

Rettungsanker für Lebensfreudige, die in Wahrheit lebensmüde sind....                (Bild: (c) Hold-Up)

Rettungsanker für Lebensfreudige, die in Wahrheit lebensmüde sind.... (Bild: (c) Hold-Up)

Ein kruder Film zum Thema Corona verbreitet sich fast noch gefährlicher als das Virus. Das Machwerk «Hold-Up» ist in Frankreich am 11. November ins Netz gestellt worden und hat auf diversen Kanälen inzwischen über drei Millionen Klicks erreicht.

Der Regisseur Pierre Barnérias ist der Meinung, dass die klassischen, traditionellen Medien viele Positionen in der Coronakrise gar nicht berücksichtigten. Sein Film solle das nun revidieren.

Die Stossrichtung wird gleich zu Beginn vorgegeben. Michael Levitt, Nobelpreisträger der Chemie, erklärt: «Ich glaube, man kann einen Lockdown rechtfertigen. Zwei davon sind deutlich schwieriger zu rechtfertigen.» Dem doppelt der Gesundheitsanthropologe Jean-Dominique Michel nach: «Sobald sie jemanden glauben lassen, er sei in Lebensgefahr, können sie mit ihm machen, was sie wollen.» Abgerundet wird die Eröffnung von Martine Wollner, Abgeordnete im französischen Parlament, die konstatiert: «Die Demokratie ist in Frankreich aufgespiesst worden.»

Fast drei Stunden geht es in diesem Stil weiter. Und der Macher des Werks hat offensichtlich gleich mehrere Kurse für psychologische Regieführung besucht. Nicht zufällig tragen alle Interviewten möglichst hochrangig klingende Titel.

«Das Ganze ist eine Abfolge von wahnsinnig vielen Protagonisten, die auftauchen und in einem extrem hohen Tempo zu den unterschiedlichsten Themen und Randbereichen dieser Coronakrise ihre Meinungen zum Besten geben», meint ein Filmkritiker in «Die Zeit».

In den französischen Medien ist «Hold-Up» seit Tagen ein heisses Thema. Aber die Redaktionen können sich kaum mehr als ärgern über die Verschwörungstheorien – von Bill Gates und der Abschaffung des Geldes bis zu einer Soziologin, die am Schluss behauptet: «Wir werden Zeuge eines Holocausts und des Versuchs der Reichen, die Armen in dieser Welt abzuschlachten.»

Noch konkreter doppelt ein anderer Protagonist nach, der den Vergleich heutiger Regierungen mit den Nazis nicht scheut: «Für mich befinden wir uns im Dritten Weltkrieg. Aber das ist ein Krieg der Klassen, den die Reichsten gegen die Ärmsten führen.» Dieser Krieg werde sicher den ärmsten Teil der Menschheit auslöschen. «Das heisst: Dreieinhalb Milliarden Menschen!»

Dass viele der geäusserten Thesen krude, widersprüchlich und manchmal schlicht falsch sind, scheint die Macher, die selbst früher als Journalisten in klassischen Medien gearbeitet haben, wenig zu stören: «Das sind ja schliesslich nicht meine Thesen, meine Aufgabe war es, einfach der freien Rede eine Plattform zu bieten», rechtfertigte sich Christophe Cossé, Produzent von «Hold-Up», im Fernsehsender CNEWS. Finanziert wurde das «Dokument» mittels Crowdfunding.

Sein Publikum findet «Hold-Up» bei Menschen, die sich nach einem unkomplizierten Leben sehnen, wie es das scheinbar vor Corona noch war. Und mit den richtigen Nebelbomben, die der Film wirft, wird es auch noch lange so bleiben. Im Kopf. Aber vielleicht nicht im Körper.