Streamingplattformen wie Netflix sollen künftig 1 Prozent ihrer Einnahmen in der Schweiz in das Schweizer Filmschaffen investieren müssen. Das hat der Nationalrat zu Beginn der Session entschieden. Ein Happy End für den Film bedeutet das aber noch lange nicht.
Zuerst muss sich auch der Ständerat mit der Idee anfreunden. Und die Jungfreisinnigen drohen mit einem Referendum. «Wir wollen Qualität, nicht Pflichtkonsum», kommentieren sie auf Twitter.
Schon früher hat Andri Silberschmidt (FDP) in einer Ausgabe der «ZüriNews» erklärt: «Es ist falsch, wenn man nun erfolgreiche Plattformen regulieren und besteuern will. Das zeugt von einem planlosen Vorgehen im Umgang mit Internetdienstleistern und schadet letztendlich der Wahlfreiheit von uns Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch der Innovationskraft der Unternehmen.»
Eine Meinung dahinter ist, dass auch inländische Unternehmen wie die 3+-Gruppe der CH Media von den neuen Auflagen betroffen würden.
Matthias Aebischer (SP) kontert, dass Schweizer Fernsehsender sowieso eine Abgabe an den Schweizer Film leisten müssen, wie das im Radio- und Fernsehgesetz festgelegt ist. Sein Blickwinkel: Mit der jetzigen Vorlage wolle man ausländische Fernsehstationen, welche mit ihren Werbefenstern in der Schweiz über 300 Millionen Franken umsetzen, und Plattformen wie Netflix verpflichten, in der Schweiz zu investieren.
Bei derart divergenten Betrachtungen lohnt sich ein Blick ins Ausland.
Am ähnlichsten wie der Schweizer Nationalrat denkt momentan Polen. Dort plant die Regierung eine Abgabe für Streaming-Dienste von 1,5 Prozent ihrer Einnahmen. Betroffen wären Netflix, Amazon, Apple und andere Anbieter.
Polnische Medien haben diese Massnahme «Netflix-Steuer» getauft. Laut dem polnischen Finanzminister Tadeusz Koscinski sei es aber keine Steuer, sondern «ein Zuschlag, den der Kulturminister von solchen Unternehmen verlangt, die dank Polen Profite machen.»
Die Abgaben gehen an das Polnische Filminstitut (PISF), das dem Staat untersteht. Wenn das Parlament die Abgabe absegnet, sollen so heuer 3,2 Millionen Euro eingenommen werden. Nächstes Jahr sollen es 4,3 Millionen Euro sein.
Auch Deutschland wollte zuerst eine solche Steuer, hat dann aber die Diskussion auf Eis gelegt. Unser nördlicher Nachbar strebt aktuell eine globale Lösung an.
Tatsächlich gibt es, von der Öffentlichkeit wenig beachtet, ein neues EU-Gesetz und einen Gerichtsentscheid, die weitreichende Folgen haben könnten. Bis im Frühling 2021 soll diesem vom Ministerrat und dem Parlament noch formell zugestimmt werden. Dann müssten Anbieter von Video-on-Demand-Diensten künftig mindestens 30 Prozent ihres Katalogs mit europäischen Inhalten bestücken. Das ist eine überraschende Steigerung, vor zwei Jahren war noch von 20 Prozent die Rede. Und die Steuer?
Eine solche Digitalsteuer wird bei unserem Nachbarn Österreich seit dem 1. Januar 2020 auf Einnahmen von Onlinewerbung bei internationalen Konzernen erhoben. Die grundsätzliche Idee ist, dass internationale Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple auch dort Steuern zahlen, wo Kunden und Nutzer von Dienstleistungen sitzen und die Unternehmen Umsätze erzielen. Die Digitalsteuer sollte dem Fiskus in Österreich rund 20 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr einbringen.
Die Reaktionen führten aber ebenfalls zu keinem Happy End: Ab 1. November wird Google die Digitalsteuer in der Höhe von 5 Prozent in Österreich an seine Endkunden abwälzen, wie der Konzern soeben bekannt gegeben hat. Ebenso in der Türkei will Google eine solche Steuer mit 5 Prozent an seine Kunden weiter verrechnen. Werbekunden aus England, wo Google ebenfalls besteuert wird, sollen 2 Prozent mehr zahlen.
Eine gleiche Digitalsteuer hat Frankreich angekündigt. Doch diese bleibt bis Ende 2020 ausgesetzt, um die internationalen Verhandlungen abzuwarten. Vorher hatte die USA mit Strafzöllen auf französische Waren gedroht.
Aber vielleicht wird ja im November ohnehin alles anders.