Und nochmals schaffen es Springer-CEO Mathias Döpfner und Ex-«Bild»-CR Julian Reichelt zuoberst in die Schlagzeilen: Gemäss neuen Recherchen der «Financial Times» (FT) ging es der Springer-Spitze nicht um Aufklärung von Reichelts Machtmissbrauch, sondern vor allem ums Vertuschen.
«Frauen meldeten sich zu Wort, Männer riefen Verschwörung», ist der am Dienstag publizierte Artikel der britischen Tageszeitung überschrieben. Demnach wusste die Verlagsspitze vom Fall Reichelt erheblich länger als bisher angenommen.
Ja, mehr noch, gemäss der Wirtschaftszeitung habe die Führungsetage mit einigem Aufwand versucht, die vielen Inhouse-Affären des damaligen «Bild»-Chefredaktors Julian Reichelt unter den Teppich zu kehren.
Besonders brisant ist die Aussage eines Vorstandsmitglieds, das laut FT gesagt habe: Wenn die Ergebnisse einer internen Untersuchung publik würden, sei das «nicht zu überleben»; mit Reichelt könnten dann auch noch andere Köpfe rollen.
Dies wiederspricht der Variante, die der Springer-Konzern stets verbreitete: Dass man in der Verlagsleitung nämlich keine genauen Kenntnisse über die Ermittlungen einer Anwaltskanzlei im eigenen Haus gehabt habe.
Döpfner vermutete hinter den Vorwürfen gegen Reichelt einen ideologischen Angriff, schreibt die Wirtschaftszeitung weiter. Er soll von einer «Hass-Agenda» gesprochen haben. «Das hat nichts mit Sexismus zu tun. Das hat nichts mit MeToo zu tun», wird der Vorstandsvorsitzende zitiert.
Mathias Döpfner habe eine Verschwörung gewittert und soll einen Anwalt für Ermittlungen gegen betroffene Mitarbeiterinnen engagiert haben. So zum Beispiel gegen eine Ex-Geliebte von Reichelt, die als Zeugin ausgesagt hatte, oder gegen zwei «deutsche Satiriker», die öffentlich über den Me-Too-Moment im Hause Springer gesprochen hatten.
Dieser Spin von der rachsüchtigen Ex passt doch eigentlich gut ins «Bild», findet der Klein Report.
Obwohl mindesten fünf Mitarbeiterinnen Beschwerden vorbrachten, soll Vorstandsmitglied Stephanie Caspar laut FT immer abgestritten haben, von Reichelts Liebeleien am Arbeitsplatz gewusst zu haben.
Erst als die «New York Times» kurz vor dem Abschluss der Übernahme der US-Mediengruppe «Politico» den Fall Reichelt aufgriff, zog Döpfner die Reissleine.
Die neuen Enthüllungen der «Financial Time» liess auch das Berliner Medienunternehmen nicht kalt. «Der Artikel zeichnet ein irreführendes Bild der Compliance-Untersuchung, der daraus gezogenen Konsequenzen, des gesamten Unternehmens und seiner Führung», liess der Springer-Verlag nach Publikation des FT-Artikels verlauten.
Im Artikel selbst schob Springer den schwarzen Peter auf den geschassten CR: «Rückblickend müssen wir zugeben, dass wir nicht alles richtig gemacht haben. Unser grösster Fehler war, Reichelt zu lange zu vertrauen.»
Reichelt wiederum sagte gegenüber der FT, die Vorwürfe gegen ihn seien «Lügen».