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Montag
19.04.2021

Medien / Publizistik

«Wenn man eine solch deutliche Zahl von Stellen abbauen will, wird der redaktionelle Teil sicher nicht mehr den gleich breiten Gehalt und die Heterogenität von vorher erreichen» (Bild: zVg)

«Wenn man eine solch deutliche Zahl von Stellen abbauen will, wird der redaktionelle Teil sicher nicht mehr den gleich breiten Gehalt und die Heterogenität von vorher erreichen» (Bild: zVg)

Der Medienplatz Bern kommt nicht zur Ruhe: Kaum war die Fusion von «Berner Zeitung» und «Bund» angekündigt, wehrten sich aufgebrachte Redaktorinnen und Redaktoren mit einem mutigen Manifest. Gleichzeitig wird an neuen Medienprojekten getüftelt – und im Bundeshaus stehen Förderfranken für Medien zur Debatte.

Im Interview mit dem Klein Report sagt Christian Wasserfallen, Berner FDP-Nationalrat und Mitglied der Fernmeldekommission, wie er zur Einstellung des «Berner Modells» steht, ob die Medienvielfalt in der Bundesstadt tatsächlich gefährdet ist und was er von staatlichen Geldern für Medien hält.

Journalistinnen und Journalisten bei «Berner Zeitung» und «Bund» haben sich am 14. April mit einem Manifest gegen den geplanten Stellenabbau in den Redaktionen gewehrt. Wie schätzen Sie das ein? Was sind Ihre Möglichkeiten, als Politiker darauf zu reagieren?
Christian Wasserfallen: «‚Wir wollen keine halben Sachen! Es ist zu prüfen, ob das Festhalten der Brands Bund und BZ gegenüber der Leserschaft ehrlich und redlich ist.’ Diese beiden letzten Forderungen der Redaktionen bringen die Situation wirklich gut zum Ausdruck. Die gleichen Aspekte beschäftigen uns auch auf politischer Ebene. Regierungsrat, Stadtpolitik sowie eine Delegation aus der Bundespolitik haben sich direkt mit den Verantwortlichen der TX Group ausgetauscht. Leider ohne Erfolg.»

Die Chefs liessen sich also nicht umstimmen?
Wasserfallen: «Das neue Modell war beschlossene Sache und, da es sich um eine private Unternehmung handelt, sind unsere Spielräume beschränkt. Allein mit indirekter Presseförderung, Ausbildungsbeiträgen und Subventionen für Online-Medien kann man solche Entscheide nicht beeinflussen, geschweige denn umkehren. Das ‚Feu sacré’ für das ‚Berner Modell’ muss von den Führungspersonen kommen, ohne geht es nicht.»

Wie stehen Sie grundsätzlich zur Entscheidung des Tamedia-Konzerns, die Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Bund» zu fusionieren?
Wasserfallen: «Wenn man eine solch deutliche Zahl von Stellen abbauen will, wird der redaktionelle Teil sicher nicht mehr den gleich breiten Gehalt und die Heterogenität von vorher erreichen. Was mir bis heute nicht einleuchtet am neuen Modell, ist die Tatsache, dass offenbar Artikel zentral recherchiert und natürlich eins zu eins identisch in beiden Blättern abgedruckt werden, aber dann in Kommentarspalten total unterschiedlich bewertet werden sollen.»

Wie meinen Sie das genau?
Wasserfallen: «Die neutrale Einordnung von Geschehnissen ist sicher löblich. Wie man aber dann innerhalb der Redaktion in Kommentaren jeweils zu grundlegend verschiedenen Auffassungen gelangen soll, weiss ich ehrlich gesagt nicht. Noch komplexer wird es, wenn man gleichzeitig mit ‚Bund’ eine eher städtische und mit der ‚BZ’ eine eher regionale Leserschaft ansprechen will. Sind die zwei Brands wirklich noch redlich? Die Frage ist leider berechtigt.»

Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried moniert, dass Tamedia mit diesem Schritt «die eigenen wirtschaftlichen Interessen höher gewichtet als ihre medienpolitische Verantwortung». Stimmen Sie dieser Aussage zu?
Wasserfallen: «So schwarz-weiss kann ich das nicht beantworten. Die TX Group ist von den Umsätzen her stagnierend und rückläufig unterwegs. Das beste Umsatz-Ergebnis war 2011. Heute macht die Gruppe rund 17 Prozent weniger Umsatz. Es ist nicht falsch, die wirtschaftliche Situation der Unternehmung zu gewichten. Letztlich stellt sich die Frage: Wie viel Qualität will ich den Kundinnen und Kunden bieten? Die Antwort darauf entscheidet, wie sich diese Investition in Qualität in bessere Ergebnisse ummünzen lässt. Guten Journalismus ohne wirtschaftlich solides Fundament gibt es nicht. Ohne guten Journalismus prosperiert aber auch die Unternehmung nicht. Eine sehr komplexe Fragestellung.»

Politik und Gesellschaft in Bern beklagen einen Verlust an Medienvielfalt. Am Medienplatz Bern stehen derzeit Projekte wie «Neuer Berner Journalismus» und «Neue Berner Zeitung» sowie die Idee eines Onlinemagazins von der Bewegung Courage Civil in der Anfangsphase. Weshalb glauben Sie, ist die Medienvielfalt in Bern dennoch gefährdet?
Wasserfallen: «Mir gefällt die Tendenz nicht. Alles wird zentralisiert, in anonyme Newsrooms verlegt. Journalismus lebt von der Nähe, von den Leuten, Emotionen und den Geschichten. Wer spürt das hinter einer Bildschirmwand in einem klimatisierten und sterilen Newsroom? Es gibt ja nicht nur das Beispiel ‚Bund'/‚BZ', sondern auch die SRG, wo das Radiostudio Bern noch immer für Diskussionen sorgt.»

Und wie schätzen Sie die Chancen der neuen Medienprojekte ein?
Wasserfallen: «Die neuen Medienformate müssen möglichst zusammenspannen. Das Marktgebiet ist klein und es ist deshalb schwierig wirtschaftlich solid auf die Beine zu kommen. Dass regionale Medien grosse Herausforderungen haben, wurde mir auch während meiner Zeit im Verwaltungsrat von Radio Bern1 bewusst. Eine regionale Identität sowie unternehmerisches Handeln waren für uns immer die Schlüssel zum Erfolg.»

Was wünschen Sie sich für den Medienplatz Bern?
Wasserfallen: «Vielfalt, regionale Nachrichten, Abwechslung, die Funktion als Politzentrum der Schweiz inklusive internationaler Berichterstattung. Warum finden eigentlich Politsendungen wie die ‚Arena’ und der ‚SonnTalk’ alle in Zürich statt? Wir haben in Bern super ausgerüstete Studios und attraktive Zugsverbindungen in alle Landesteile der Schweiz – inklusive Westschweiz. In dieser Komposition wäre der Medienplatz Bern noch attraktiver, davon bin ich überzeugt.»

Welche Medien haben Sie persönlich momentan abonniert und welche Onlinemedien konsumieren Sie?
Wasserfallen: «In unserem Haushalt finden sich viele Medien: Auf Papier und online kommen die ‚NZZ am Sonntag’, die ‚Handelszeitung’ sowie die ‚Bilanz’. Online konsumiere ich ‚Bund’, ‚BZ’ und andere Medien. Zudem nutze ich noch Sammelplattformen, wo verschiedene Magazine gleichzeitig erhältlich sind.»

Im Bundeshaus wird heftig über Medienförderung debattiert. Eine weitere Entscheidung über das Förderpaket für Print- und Onlinemedien steht in der Sommersession bevor. Kurzgefasst: Was ist Ihre Position zu staatlichen Geldern für private Medien?
Wasserfallen: «Zielgerichtete Förderungen wie die indirekte Presseförderung oder Ausbildungsbeiträge sind während einer gewissen Zeit sicher gut. Das Gebührensplitting im Bereich Radio und TV ist sinnvoll, darf aber nicht dazu führen, dass jene Veranstalter, die ganz auf Gebühren verzichten, nicht noch kürzere Spiesse im harten Marktumfeld erhalten. Die direkte Subventionierung nach Umsatz, die mit dem neuen Mediengesetz eingeführt werden soll, ist für mich sehr heikel. Beissen staatlich subventionierte Medien jemals noch die Hand, die sie füttert? Zudem werden klare organisatorische und regionale Kriterien sowie das Geschäftsmodell vorgegeben, wenn man von Subventionen profitieren will. Mit Qualitätsdenken hat das nicht viel zu tun.»

Sie haben wie GLP-Nationalrätin Katja Christ versucht, Mediengutscheine für Junge ins Spiel zu bringen...
Wasserfallen: «In der Beratung versuchte ich noch mit einem Antrag einen Mediengutschein für junge Erwachsene im Jahr der Volljährigkeit für ein journalistisches Angebot einzuführen. Leider wurde der Antrag hauchdünn abgelehnt. Das Ziel wäre es gewesen, dass alle 18-Jährigen einen 100-Franken-Mediengutschein für ein Jahr erhalten hätten. So hätte man sich automatisch früher mit dem eigenen künftigen Medienkonsum auseinandergesetzt und die jungen Leute erhielten die Möglichkeit, ihre Medienwelt selber mitzugestalten. Finanziell wäre das absolut verkraftbar gewesen: Bei rund 85'000 Menschen, die jährlich volljährig werden, ergäbe das ein Kostendach von 8,5 Millionen Franken. Warten wir ab. Das ist vielleicht Zukunftsmusik.»

Nicht nur auf nationaler Ebene, auch eine Ebene tiefer sind Förderfranken in Reichweite: Der Kanton Bern plant eine Revision des Informationsgesetzes, um künftig auch Medien indirekt zu fördern. Inwiefern unterstützen Sie dieses Unterfangen?
Wasserfallen: «Indirekte Förderung ist besser als direkte. Es ist sicherzustellen, dass die gleichen Medien dann nicht mehrfach für gleiche Tätigkeiten unterstützt werden. Eine enge Abstimmung mit den Fördermassnahmen auf Bundesebene ist sicherzustellen. Auf kantonaler Ebene wäre ein Mediengutschein komplementär sicher sehr interessant. Im Grossrat wurde ja bereits ein Vorstoss dazu überwiesen.»