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Dienstag
29.12.2009

Eine Krähe hackt der andern kaum ein Auge aus, sagt das Sprichwort. Bis vor Kurzem galt dies auch für Journalisten und Publizisten; man ging eher schonend mit den Kolleginnen und Kollegen um. Nicht so der Chefredaktor des «Sonntags», Patrik Müller, der kurzerhand in seinem Blatt über den Kollegen des «SonntagsBlicks», Hannes Britschgi, herzog, und ihn bezichtigte, er würde mit einer «Hitler-Parodie» gegen «Blick»-Chefredaktor Ralph Grosse-Bley intrigieren.

Patrik Müller schrieb in der letzten «Sonntags»-Ausgabe: «Hannes Britschgi hat als ehemaliger TV-Mann (Rundschau) schauspielerisches Talent. Dieses setzt er nun auch als `SonntagsBlick`-Chefredaktor ein - in einer Adolf-Hitler-Parodie, die sich gegen seinen `Blick`-Kollegen Ralph Grosse-Bley richtet. Die Nummer, die Britschgi schon mehrmals aufgeführt hat, geht so: Britschgi legt sich den Zeige- und Mittelfinger auf die Oberlippe - das soll das Hitler-Schnäuzchen markieren - und zitiert im Kasernenton aus einem Kommentar mit dem Titel `Es geht nicht ohne Stacheldraht`, den der interimistische `Blick`-Chefredaktor Grosse-Bley am 27. November publiziert hat. Darin plädiert dieser für einen Stacheldraht auf der Mauer am Berner Bärengehege: `Auch die Bären haben ein Recht auf den Stacheldraht. Damit sie nicht bei nächster Gelegenheit erschossen werden`.»

Und dann fährt der «Sonntag»-Chefredaktor Müller noch grösseres Geschütz auf: «Grosse-Bley gilt Ringier-intern inzwischen als der bessere Chefredaktor als Britschgi - was für den `SonntagsBlick`-Chef gefährlich werden könnte. Denn in wenigen Wochen ziehen die Ringier-Redaktionen in einen gemeinsamen `Newsroom`. Ob jeder Titel - `Blick`,
`SonntagsBlick`, `Blick am Abend` und Blick Online - langfristig einen eigenen Chefredaktor braucht, ist unsicher. In solchen Zeiten wird mit harten Bandagen gekämpft. So hat Hannes Britschgi den Blick in der Branche wiederholt schlechtgeredet. Kürzlich erzählte er an einem Medienanlass zum Beispiel genüsslich, die Verkaufszahlen des `Blicks` seien zwar nach der Umstellung vom Tabloid auf Broadsheet kurzfristig angestiegen, `nun sind sie aber wieder so schlecht wie vorher`. Zufall oder nicht: Kurz darauf publizierte die Tamedia-Konkurrentin `SonntagsZeitung` vertrauliche Verkaufszahlen des `Blicks`. Der Titel des Artikels: `Ringier-Verkaufszahlen zeigen: Das Boulevardblatt im Grossformat zieht am Kiosk nicht`.» Soweit die Version von «Sonntag»-Chefredaktor Patrik Müller.

Im internen Interview von Ringier wies der angegriffene Chefredaktor Hannes Britschgi die Vorwürfe zurück.

Der «Sonntag» wirft Ihnen eine Intrige gegen Blick-Chefredaktor Ralph Grosse-Bley vor. Was ist los zwischen Ihnen beiden?
Hannes Britschgi: Ich verstehe mich ausgezeichnet mit Ralph. Wir haben für das Newsroom-Projekt sehr gut zusammengearbeitet. Da lassen sich keine zerrütteten Verhältnisse herbeischreiben.

Ihnen wird unterstellt, Sie würden die «Blick»-Zahlen wiederholt «schlechtreden»?
Hannes Britschgi: Davon kann keine Rede sein. Im Vorfeld des Artikels schrieb mir Patrik Müller: «Insider sagen, du würdest dich über tiefe Auflagezahlen des `Blicks` freuen. Bitte um Stellungnahme.» Ich habe ihm geantwortet: «Über gute `Blick`-Zahlen kann ich mich nur freuen, denn davon profitiert auch der `SonntagsBlick`.» Diese Aussage wird im Artikel unterschlagen, und es wird mir auch noch unterstellt, etwas mit der Publikation von vertraulichen Verkaufszahlen des «Blicks» zu tun zu haben.

Wie beurteilen Sie das Ganze?
Hannes Britschgi: Ich kann über das Vorgehen von Patrik Müller nur den Kopf schütteln. Zum Glück haben wir unter den Chefredaktoren der «Blick»-Gruppe ein ausgesprochen gutes Verhältnis. Darauf können wir bauen, wenn wir im kommenden Jahr zusammen in den «Newsroom» ziehen, um die ganze Gruppe voranzubringen.

Um mit Shakespeare zu sprechen, viel Lärm um nichts, könnte man meinen. Doch warum hackt Müller so auf dem Britschgi herum; sucht er etwa selbst einen Job bei Ringier im Boulevard-Business oder was soll diese private Attacke gegen einen Kollegen, fragt man sich beim Klein Report und überlässt die Schlussfolgerungen den Leserinnen und Leser.