Beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) krankt es an vielen Ecken: Einmal mehr kommuniziert der Sender aus der Defensive heraus, indem er auf einen Artikel in der «Schweiz am Wochenende» mit einer Stellungnahme auf seiner Webseite antwortet.
«Die Zeitungen von CH Media behaupten, SRF verschlafe die besten Storys, weil im Newsroom ‚Missstände‘ herrschten und sich ‚die Journalisten inzwischen gegenseitig am Arbeiten hindern‘», beginnt die Stellungnahme von Tristan Brenn, Chefredaktor TV von SRF.
«Als einzigen Beleg nennen die Zeitungen eine Medienkonferenz der CS, die SRF 2019 angeblich verschlafen habe», geht der Journalist in die Offensive und greift den Autor des Artikels, Francesco Benini, direkt an. Dieser hätte «dazu die Fakten sowie die Stellungnahme von SRF weggelassen, in deren Besitz er war», behauptet Brenn, der über die - wie er schreibt - «kurzfristig angekündigte Medienkonferenz» Folgendes darlegt: Ein Redaktor von SRF sei anwesend gewesen. Das Kamerateam sei aber aufgrund eines Missverständnisses zu spät aufgeboten worden.
Man habe die Story mit Bildern von Keystone/SDA «sowie dann mit eigenen Interviews und Einordnungen publiziert».
Dann folgt ein typischer, sich selbst die Absolution erteilender SRF-Satz von Tristan Brenn: «Das Publikum der Newssendungen hat also nichts gemerkt, es wurde ohne Lücken und in guter Qualität informiert.»
Solche Pannen seien selten, «können im Alltag aber auch mal vorkommen – übrigens auch schon vor dem Start des Newsrooms», so Brenn, der behauptet, dass dies «der einzige solche Fall» gewesen sei, seit November 2018, «als noch im alten Gebäude eine erste Newsroom-Organisation ihre Arbeit aufnahm».
«Einen Zusammenhang zur Organisation im Newsroom gibt es also nicht», bezieht sich der Chefredaktor auf den Artikel mit dem Titel «Fernsehchefin Wappler bereitet Entlassungen vor – SRF-Digitalstrategie stösst auf Kritik».
Das stimmt natürlich nur bedingt. Auch der Klein Report hat bei der «Tagesschau» vor ein paar Monaten eine Geschichte nachrecherchiert, welche die Hauptausgabe komplett verschlafen hatte.
Die Redaktion des Klein Reports sprach im Anschluss mit zwei SRF-Verantwortlichen, die die Fehleinschätzung auch unumwunden zugaben. Es sei zwar intern heftig diskutiert worden, gesendet wurde aber nichts. Nicht einmal eine wörtliche Erwähnung eines Anschlages, der fast zeitgleich zur Sendung ablief und über den auf allen Kanälen berichtet wurde.
Der Klein Report hat damals von einer Berichterstattung abgesehen, da es mit Sicherheit zu personellen Konsequenzen gekommen wäre.
Weiter verteidigt sich TV-Chefredaktor Brenn in seiner Stellungnahme bezüglich des Vorwurfs, «Inhalte kämen angesichts der Diskussionen über die Organisation zu kurz». Das sei nicht haltbar. «SRF hat den Journalisten Francesco Benini auf das vor wenigen Tagen publizierte Medienqualitätsranking 2020 hingewiesen, in dem SRF-Newssendungen aus Radio und Fernsehen unverändert Spitzenpositionen belegen, darunter auch das aus dem Newsroom heraus produzierte ‚10vor10‘», so Brenn.
Nur haben solche Rankings mit der individuellen Kritik nicht direkt etwas zu tun. Die meisten Studien bilden auch die unterschiedlichen redaktionellen Sendegefässe von Radio und TV bei SRF ab, fügt der Klein Report an. Und hier sind die qualitativen Unterschiede doch sehr gross.
Auch der letzte Satz zeigt exemplarisch, wohin die Reise geht: «Diese Auszeichnungen sowie die täglich gute Arbeit unserer Journalistinnen und Journalisten sind Beleg dafür, dass unsere Inhalte nicht unter den organisatorischen Veränderungen leiden», schmettert Tristan Brenn, der das Schreiben eigentlich mit SRF-Direktorin Nathalie Wappler hätte unterzeichnen müssen, die Kritik ab.
Und was ist das Fazit? Wer ein Medium hat, ballert also seine Position ohne den Diskurs mit der Gegenseite raus. Kennen wir das nicht von bestimmten US-Twitter-Accounts?
Es dürfte ein heisser medialer Herbst werden.