Gespannt blickte am 22. Januar die ganze Medienbranche auf das soeben aufgeschaltete Onlineportal Watson. «Wenn man die Erwartungen eh nicht erfüllen kann, dann kann man auch einfach loslegen», tat die Redaktion damals witzig und leicht verzweifelt kund.
Nach einem Monat im Netz sind die Meinungen dazu, wie viel Werbegelder Watson erzielen könnte, noch nicht gemacht. Das zeigt eine Umfrage des Klein Reports unter Vermarktungsfachleuten. Und zwei Leute aus der Vermarktung fanden es gar zu heikel, bereits Aussagen zu machen.
«Zum Erfolg von Watson auf dem Werbemarkt kann ich noch nicht viel sagen. Es befindet sich ja noch in der Betaphase», gab sich Goldbach-Audience-Chef Alexander Horrolt vorsichtig. «Ich kann nachvollziehen, dass am Anfang erst einmal der Inhalt und die Etablierung der Marke im Vordergrund stehen. Die Monetarisierung erfolgt in einem zweiten Schritt.»
Auch Oliver Flückiger, Gründer des Musik-Streaming-Dienstes Rayneer, gibt dem Portal noch einen Anfängerbonus. «Ich bin überzeugt, dass Hansi Voigt und sein Team erst einen Bruchteil ihrer Vision umgesetzt haben und uns mit innovativen Werbeformen überraschen werden.»
Dass der Erfolg des neuen Onlineportals auf dem Werbemarkt noch schwer einzuschätzen ist, bestätigte auch Leonardo Kopp, Head of Business Development und Marketing bei Admazing, dem Klein Report: «Unsere Kunden zeigen aktuell noch wenig Interesse an Watson. Wir warten noch auf die ersten Zahlen zu Reichweite und Traffic, bevor wir das Portal empfehlen.»
Sowohl Kopp als auch Horrolt betonten, dass die Seite ihre Leserschaft und eigene Zielgruppe erst noch finden muss, um für Werbekunden interessant zu werden.
Die Einbindung der Werbemittel hält Kopp noch für optimierungsbedürftig: «Ich habe auf der Seite schon Platzierungen gesehen, die unscharf und schlecht eingebunden waren. Dieser Punkt muss unbedingt stimmen, um bei Werbekunden anzukommen.»
Das sieht Alexander Horrolt von Goldbach Audience ähnlich. «Eine günstige Einbindung der Werbung ist bei der starken Bildlastigkeit der Seite aber gar nicht so einfach.» Die Einbindung der Werbung brauche bei einer solchen Seite viel Fingerspitzengefühl, um die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich zu ziehen.
«Als Leserin kann man Werbung nicht auf den ersten Blick vom redaktionellen Teil unterscheiden», sagte Theresa Beyer, freie Journalistin und Onlineredaktorin bei Norient.com und Jurymitglied der diesjährigen Ausgabe des Sonohr-Hörfestivals, dem Klein Report. Sie hält dies aus journalistischer Sicht für problematisch, «für Werbekunden könnte dies aber die relevante Aufmerksamkeits-Sekunde sein».
«Ich denke, dass Watson für Werbekunden interessant ist, weil die Seite so angelegt ist, dass die Leserinnen und Leser viel klicken müssen. Andererseits vermute ich aufgrund der Kürze der Artikel eine niedrige Verweildauer», fand die Journalistin bei der Betrachtung der Webseite.
Beyer ist von Watson bisher nicht begeistert: «Ich finde es schade, dass durch den Schritt weg von einem Printlayout hin zu einer bildorientierten, Blog/Tumblr-Ästhetik ausgerechnet die Struktur der Seite leidet. Mir fällt die Orientierung auf der Seite schwer, da Rubriken fehlen.»
Etwas weniger kritisch sieht das Oliver Flückiger, für den die Art des Storytellings bei Watson sehr gut funktioniert. «Die Webseite sieht schön aus, ist optimiert aufs Scrollen mit dem Daumen. Nur auf dem Desktop irritieren mich aber die grossen Bilder immer wieder. Ausserdem fehlen mir die Anreissertexte. Interessanterweise vermisse ich die klassische Navigation aber überhaupt nicht.»
Programmierer Patrick Lauber von der Web-Agentur Divio interessierte an der neuen Seite vor allem der technische Aufbau und das Erscheinungsbild. «Auf der Frontseite gibt es zu viele grosse Bilder, die Typografie leidet darunter», urteilte der Webentwickler. Ein Kompliment machte er Watson für die Artikelseiten und die Integration von Social Media.