Mit ihrem Artikel über Werner de Schepper im «Tages-Anzeiger» brach Michèle Binswanger kurz vor Weihnachten eine mediale Lawine los. Nun könnten weitere Enthüllungen folgen. «Es sind noch einige Sachen in Arbeit», verriet die Hintergrund-Redaktorin dem Klein Report.
Die Causa Werner de Schepper beschäftigt die Schweiz: «Ich habe kaum je so viele und fast durchwegs positive Reaktionen auf einen Artikel bekommen. Viele Frauen, aber auch Männer schrieben uns, auf diesen Artikel hätten sie schon lange gewartet», beschreibt Binswanger die Reaktionen auf ihren Artikel «Chef der Zudringlichkeiten», der am 19. Dezember im «Tagi» erschien.
Hauptfigur im Artikel, den Binswanger zusammen mit Reporter Mario Stäuble verfasste, ist der Co-Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» Werner de Schepper. Dieser soll gemäss Recherchen der beiden Medienschaffenden über Jahre hinweg zahlreiche Ex-Mitarbeiterinnen, insbesondere in der Hierarchie unter ihm stehende Frauen, bedrängt und ungefragt berührt haben.
«Einige Männer und Frauen schrieben uns nach der Veröffentlichung des Artikels, dass sie Werner de Schepper genauso wie im Artikel beschrieben erlebt haben. Viele berichteten von ähnlichen Erlebnissen, manche aus jüngerer Zeit, andere lagen schon Jahrzehnte zurück», so Binwanger.
Unter den Einsendungen seien aber auch Hinweise auf Personen gewesen, «über die man mal recherchieren müsste». Ob sich aus diesen Hinweisen jedoch auch konkrete Recherchen ergeben haben, dazu hält sich Binswanger bedeckt: «Es sind noch einige Sachen in Arbeit. Ob es zu einer Veröffentlichung kommt, weiss ich aber noch nicht.»
Sicher ist sich die Journalistin hingegen darüber, dass es «viele vergleichbare Fälle» gibt, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen. «Das ist aber auch in Ordnung, wenn die Frauen sich anderweitig wehren konnten. Oft ziehen die Betroffenen aber auch einfach schweigend ihre Konsequenzen und kündigen etwa ihre Stelle, anstatt sich zu wehren. Das finde ich bedauerlich.»
Keine Einschätzung wagt Michèle Binswanger zum Ausmass des Problems der sexuellen Belästigung: «Das Ausmass der Problematik einzuschätzen ist schwierig, denn sie ist sehr komplex und abhängig von verschiedenen Variablen. Aber die MeToo-Bewegung hat gezeigt, dass es wichtig ist, das Problem in einem breiten gesellschaftlichen Kontext zu diskutieren, denn betroffen sind meist die Schwächsten.»
Generell könne man jedoch sagen, dass Leute in Berufen mit ungeregelten Arbeitszeiten, also auch im Journalismus, eher gefährdet seien.