Die Boulevardzeitung «Bild» hat über angebliche E-Mails zwischen Juso-Chef Kevin Kühnert und einem russischen Hacker namens «Juri» berichtet.
Der Russe soll Hand geboten haben, die Abstimmung über die neue grosse Koalition (GroKo) zu beeinflussen. Nun behauptet das deutsche Satiremagazin «Titanic», dass die «Bild» einer falschen Fährte gefolgt sei.
Die «Titanic» habe den Mailverkehr zwischen Kevin Kühnert und «Juri» gefälscht und daraufhin der «Bild» zugespielt, schreibt das Satiremagazin am Mittwoch und titelt: «Die `Bild`-Zeitung ist einem Fake der `Titanic` aufgesessen.»
In der fraglichen «Bild»-Zeitung mit der Titelstory-Überschrift «Neue Schmutz-Kampagne bei der SPD!» berichtete sie am vergangenen Freitag über die «brisanten E-Mails», die «Bild» von einem «anonymen Informaten» erhalten habe: «Ein Russe namens `Juri` aus St. Petersburg soll Kühnert Unterstützung bei dessen Kampagne gegen die GroKo angeboten haben – mit Stimmungsmache auf Facebook durch gefälschte Accounts (Social Bots).»
Der Informant habe dem Boulevardblatt Screenshots der «angeblichen E-Mail» geschickt, schrieb die Zeitung. Die Fake-Antworten des Juso-Chefs werden im Artikel jeweils als Antworten des «angeblichen Kühnert» bezeichnet. Die «Bild» konfrontierte den Juso-Chef mit dem E-Mail-Verkehr. Kühnert antwortete: «Wir würden niemals auf solche Methoden zurückgreifen.»
Die SPD wolle daher prüfen, ob sie eine Strafanzeige «gegen unbekannt» stellt, schrieb die «Bild» und schloss ihren Bericht mit den Worten: «Für die Echtheit der E-Mail gibt es keinen Beweis.»
Das Satiremagazin «Titanic» behauptete am Mittwoch, dass die «Bild»-Zeitung einem Fake aufgesessen sei. Den angeblichen elektronischen Schriftverkehr habe der «Titanic»-Inlandredaktor Moritz Hürtgen lanciert – weder der echte Kühnert noch ein Russe namens «Juri» seien beteiligt gewesen.
«Eine anonyme Mail, zwei, drei Anrufe – und `Bild` druckt alles, was ihnen in die Agenda passt», heisst es bei der «Titanic».
Die angegriffene Tageszeitung reagierte umgehend: «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt twitterte am Mittwoch, dass die «Titanic» versuche, «journalistische Arbeit bewusst zu diskreditieren». Reichelt verteidigte zudem den Autor des «Bild»-Artikels, der von Beginn an «skeptisch» gewesen sei.
Anschliessend veröffentlichte der Chefredaktor auf der «Bild»-Webseite eine detaillierte Dokumentation, wie es zur strittigen Schlagzeile gekommen sei. Man habe den Informanten getroffen, wobei sich die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit verstärkt hätten. «Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass der Informant versuchte, `Bild` in eine klare Festlegung hineinzutreiben, dass Kevin Kühnert persönlich mit `Juri` in Kontakt stehe. Dieser Intention hinter der Fälschung ist `Bild` nicht aufgesessen.»
Grund aus Sicht der Zeitung, die Story trotz geringer Glaubwürdigkeit zu publizieren, sei gemäss Julian Reichelt die Tatsache gewesen, dass die SPD «inmitten ihrer bundespolitisch relevanten Mitgliederbefragung» prüfte, eine Strafanzeige gegen unbekannt wegen Verleumdung des Juso-Vorsitzenden zu stellen.
Die «Bild» bedauere lediglich, dass man den unbekannten Informanten nicht bereits früher als «Titanic»-Redaktor entlarven konnte, «obwohl wir mehrfach versucht haben, seine Identität festzustellen».