Die Schweizer Infront Sports & Media AG hat seine Werbekunden bei deutschen Fussballspielen offenbar zehn Jahre lang geprellt: Anstatt 30 wurde die elektronische Bandenwerbung nur 29 Sekunden ausgespielt. Der Sportvermarkter sieht sich als Opfer eines einzelnen Ex-Managers.
Die Infront Sports & Media AG mit Sitz in Zug kauft die Werberechte vom Deutschen Fussball-Bund (DFB) und verkauft sie weiter an Werbekunden. Betroffen vom Werbeschwindel sind Marken wie Post, Rewe, Daimler oder Commerzbank.
Gegen die These, ein Einzeltäter habe ohne Mitwisser die teuren Werbesekunden abgezwackt, kommen gemäss Recherchen von «Tages-Anzeiger» und «Spiegel» immer mehr Zweifel auf.
Ende Mai hatte Infront in einem «Statement» öffentlich gemacht, «dass das Unternehmen betrügerische Aktivitäten entdeckt hat, die mutmasslich von einem ehemaligen leitenden Mitarbeiter begangen wurden». Infront-CEO Philippe Blatter, ein Neffe von Sepp Blatter, zeigte sich «zutiefst schockiert» über die «Entdeckung».
Man sei durch Hinweise von der Thurgauer Staatsanwaltschaft auf «Aspekte dieser Aktivitäten» aufmerksam geworden. Die Staatsanwaltschaft habe Infront informiert, dass sie gegen den Ex-Mitarbeiter ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung «zum Nachteil von Infront» eröffnet hatte, wie es in dem «Statement» heisst.
Infront habe PricewaterhouseCooper daraufhin beauftragt, die Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten und der tatsächlich ausgespielten Werbezeit festzustellen. Den betroffenen Werbekunden seien Entschädigungen angeboten worden.
Gegen den verdächtigten Ex-Manager von Infront war schon im März 2017 eine Warnung wegen Geldwäscherei bei der Thurgauer Staatsanwaltschaft eingegangen. Zurzeit ermitteln die Behörden wegen Verdachts auf Urkundenfälschung und Vermögensdelikte gegen den früheren Mitarbeiter.
Doch tauchen laut «Tages-Anzeiger» und «Spiegel» beim DFB und bei einzelnen Werbekunden immer mehr Zweifel daran auf, dass es sich um einen isolierten Einzeltäter gehandelt haben soll.
So stimmt zum Beispiel in der Chronologie etwas nicht: Im Frühling 2018 wurde der beschuldigte Manager entlassen, der Werbeschwindel ging aber bis Herbst weiter. Und das zitierte «Statement», indem Infront die Sache öffentlich machte, ist datiert vom 24. Mai 2019.
Auch stellt sich die Frage, wie ein Einzeltäter in einem Unternehmen mit 900 Mitarbeitern über Jahre hinweg tricksen konnte, ohne dass die Buchhaltung oder ein Techniker an den Banden Wind davon bekam.
Der Deutsche Fussball-Bund prüft laut dem «Spiegel» derzeit, aus den Verträgen mit dem Schweizer Sportvermarkter auszusteigen.
Seit 2015 gehört die Infront Sports & Media AG mehrheitlich zum chinesischen Wanda-Konzern. Ringier hält 50 Prozent an dem gemeinsamen Tochterunternehmen InfrontRingier Sports & Entertainment Switzerland AG, das es ganz übernehmen und in Ringier Sports AG umfirmieren will, wie der Medienkonzern im Anfang Juni erst mitteilte.