Brad Pitt, Kim Basinger oder Sharon Stone: Tom Kummer hat als Hollywood-Korrespondent jahrelang über Stars und Sternchen geschrieben. Doch die deutsche Zeitschrift «Focus» deckte im Jahre 2000 auf, dass die berüchtigten Interviews allesamt gefälscht waren – ein perfekter Skandal.
Unterdessen hat der ehemalige Reporter Tom Kummer den USA den Rücken gekehrt und sorgte dafür zuletzt mit seinem neuen Buch «Nina & Tom» für Aufsehen. Im Klein Report spricht er über den Tod seiner Frau, seine Heimatstadt Bern und Objektivitätsstrategien.
Sie haben im Frühjahr «Nina & Tom» veröffentlicht. Eine Liebesgeschichte, die mit dem Tod Ihrer Frau endete. Das Buch wurde ein Erfolg, es sei zärtlich, ehrlich, tragisch und zugleich auch der Roman Ihres Lebens. Ist es Ihr bisher ehrlichstes Werk?
Tom Kummer: «Es ist ein total subjektiver Blick auf dreissig Jahre `Amour fou`. Ein schonungsloses Werk. Ehrlich, weil ich versucht habe, porentief authentisch zu erzählen. Also auch fantastisch und verzerrt, weil das die grenzenlose Leidenschaft trifft, mit der Nina und Tom sich geliebt haben.»
Die Geschichte, die Sie in «Nina & Tom» erzählen, ist keine gewöhnliche. Sie schreiben über Intimes und Persönliches. Für die Leser spielt das anscheinend keine Rolle – Ihr Buch kommt gut an. Inwiefern stellt dieser Roman ein Monument zu Ehren Ihrer Frau dar? Ist es eine Abrechnung oder eine Abdankung?
Kummer: «Es ist ein Denkmal für Nina. Wir haben uns geliebt ohne Grenzen. Wir verwandelten uns zu Engeln der Hölle, die ich an vielen Stellen vielleicht so beschreibe, als wären sie erfunden. Aber wir haben echt und wahrhaftig existiert, manchmal wie eine grosse Illusion, die am Ende wie eine Seifenblase zerplatzen muss. Viele Szenen sind für die Leser nicht leicht zu verkraften. Aber ich halte es nie für pietätlos, auch die erotische Besessenheit, die Gewalt. Denn da schweben auch Selbstironie und Romantik durch unsere Beziehung. Und sie endet familiär, vertraut, mit Kindern – und dem Tod. Wie das richtige Leben.»
2016 haben Sie Los Angeles verlassen und sind in Ihre Heimatstadt Bern zurückgekehrt. Sie sagen, dass Sie «sowieso ein Bärner Giel» sind. Wie meinen Sie das?
Kummer: «Bern wirkt paradiesisch, der Alltag ist sowas von easy. Ich war dreissig Jahre weg und lebte in völlig anderen Lebensumständen. Zuerst die Berliner Besetzer- und Kunstszene der 80er-Jahre, später die Innercity von Los Angeles und der Glamour von Hollywood. Das sind Erfahrungen, die werde ich nie aus meinem System bekommen. Aber der Bärner Giel steckt auch noch in mir drin. Darum fällt es mir leicht, den manchmal eindimensionalen und urchigen Berner Alltag zu geniessen. Wichtig ist ja bloss, was im Kopf so passiert.»
Was sind Ihre Pläne in absehbarer Zeit? Welches sind Ihre aktuellen und nächsten Projekte?
Kummer: «Kürzlich gewann ich einen Kunstpreis in Bern, völlig überraschend für mich, aber eben doch Beweis, dass mein Kopf arbeitet und ich die Zeichen der Zeit in meiner alten neuen Heimat erkennen kann. Wichtig bleibt immer, dass man eine ursprüngliche Aggressivität, die man als Zwanzigjähriger empfunden hat, noch ein wenig bewahren kann – die 80er-Jahre-Wut auf den Spiesser und die heuchlerische Moral der Gesellschaft, die in mir das Ausbrechen provozierte. Die ist phasenweise wieder voll da und wurde vielleicht durch meine Rückkehr in die paradiesische Enge der Schweiz neu aktiviert. Und das ist schon bemerkenswert. Diese Energien versuche ich jetzt in die unterschiedlichsten Projekte zu stecken: Von der Theaterarbeit über das Kunstprojekt bis zum Uni-Literatur-Seminar. Es wird mir ganz vieles und ganz Unterschiedliches angeboten. Dafür bin ich dankbar. Aber in erster Linie schreibe ich an einem neuen Buch – nur schreiben macht mich richtig glücklich.»
Es zeichnet sich ein offener Konflikt in der Medienlandschaft ab: Wahrheit, Fakten und ausgezehrte Redaktionen gegen die Renaissance von PR-geschwängerten Inhalten und neuartige Werbeformen wie Native Advertising. Welche dieser Entwicklungen im Journalismus sind für Sie nachhaltig und sinnvoll?
Kummer: «Ich habe dazu keine Meinung. Ich bin in dieser Hinsicht nicht qualifiziert genug. Ich bin reiner Stilist, der mit Sprache und Worten spielt und Sätze montiert, um eine emotionale Wirkung zu hinterlassen. Ich halte mich für einen ziemlich versierten Erzähler, und das ist im Journalismus nicht gefragt. Ich verfolge keine Objektivitätsstrategien, wie sie der gute, solide Journalist anstrebt. Was ich der Verwirrung der Gegenwart schenken kann – einer Welt, die es aus meinem Blickwinkel nie bloss aus Wahrheiten in Bildern, Texten und Objekten gegeben hat, sondern die vielmehr aus Fragmenten und Widersprüchen besteht – sind aufrüttelnde Texte oder Kunstwerke, die zum Nachdenken anregen oder die öden Denkschablonen im Hirn der Menschen zerhacken. Das ist alles.»