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Montag
18.05.2020

Medien / Publizistik

«Das Auslege-Verbot muss überdacht werden», fordert sept.ch-Verleger Patrick Vallélian vom Bund. «Andernfalls muss der wirtschaftliche Verlust ausgeglichen werden.»

«Das Auslege-Verbot muss überdacht werden», fordert sept.ch-Verleger Patrick Vallélian vom Bund. «Andernfalls muss der wirtschaftliche Verlust ausgeglichen werden.»

Die Cafés und Restaurants haben wieder geöffnet. Doch die Zeitungsständer und die Magazinauslagen bleiben leer. Das sorgt für Unmut bei den Verlegern.

«Wenn es nicht der Gnadenstoss ist, so sieht es doch fürchterlich aus», empörte sich Patrick Vallélian, Geschäftsführer der Freiburger Sept.ch SA, nach der Wiedereröffnung der Restaurants und Cafés diese Woche auf Twitter. 

«Per Zufall» habe er erfahren, dass es den Gastrobetrieben und anderen öffentlichen Einrichtungen verboten sei, Zeitungen und Zeitschriften zur Lektüre auszulegen, so der Herausgeber der Website für Slow Journalism und des Magazins «Sept mook».

Im Corona-Schutzkonzept der Gastrobranche steht: «Der Betrieb verzichtet auf Gegenstände, die von mehreren Gästen geteilt werden (zum Beispiel Zeitschriften, Magazine oder Snacks).» Doch wie ist dieses Verbot zu rechtfertigen, wenn parallel dazu weiterhin Briefe, Pakete oder Einkaufstaschen durch die mehrere Hände gehen?

Mit der Regelung «will die Gastrobranche die Risiken einer Übertragung des Virus durch Gegenstände, die kaum oder nur schwer nach jedem Gast gereinigt (gewaschen oder desinfiziert) werden können, minimieren», sagte dazu Claire Bussy Pestalozzi, Pressesprecherin beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), auf Anfrage des Klein Reports. Das Lesen von selbst mitgebrachten Zeitungen sei weiterhin erlaubt.

Gemäss Studien könne das Corona-Virus «bis zu mehreren Stunden» auf dem Papier überleben. «Das Risiko einer Ansteckung lässt sich nicht beziffern. Aber im Umfeld eines Restaurants, das heisst beim Essen, ist die Möglichkeit sicher grösser, dass das Virus von den Händen ins Gesicht und zu den Schleimhäuten gelangt, als wenn man einen Brief öffnet», so Pestalozzi weiter.

Kurz und bündig äusserte sich der Branchenverband GastroSuisse zum Auslege-Verbot: «Das Konzept wurde in Zusammenarbeit mit dem Bund, den Sozialpartnern und gastgewerblichen Branchenverbänden sowie auf Basis des SECO-Musterschutzkonzepts, von Branchenkonzepten anderer Länder und der Empfehlungen der WHO erarbeitet», hiess es auf Nachfrage des Klein Reports.

Für den Sept.ch-Geschäftsführer ist das Verbot nicht akzeptabel. «Diese neue Entscheidung verbietet nicht nur die Print-Medien in den Wartezimmern von Ärzten und Zahnärzten oder bei Friseuren, sondern beraubt uns auch einer bedeutenden Leserschaft.» Die Regelung sei umso unverständlicher, als es «auf keiner rechtlichen oder wissenschaftlichen Grundlage» beruhe, so Patrick Vallélian weiter. 

Zudem stösst Vallélian sich daran, dass die Sache nicht mit den betroffenen Medien diskutiert worden sei. Das BLV sagte gegenüber dem Klein Report dazu nur: «Das Schutzkonzept der Gastrobranche ist seit dem 5. Mai für alle Interessierten auf dem Internet verfügbar.»

Für die Medienverlage bedeute das Verbot einen «erheblichen wirtschaftlichen Verlust», glaubt Patrick Vallélian. Er fordert vom Bund, die Regelung zu überdenken. «Andernfalls muss dieser Verlust auf die eine oder andere Weise von den Behörden ausgeglichen werden.»

Überrascht vom Verbot war auch Dominique Diserens, Zentralsekretär des Journalistenverbands Impressum. «Das ist paradox. Einerseits unterstützen wir Zeitungen mit Hilfsgeldern und andererseits verbieten wir sie in den Cafés.»

Bis wann das Auslege-Verbot in Kraft bleibt, dazu konnte man beim Bundesamt nichts sagen. Es sei die Aufgabe der Branche, Massnahmen zum Schutz der Gäste und der Mitarbeitenden festzulegen. Der Branchenverband wiederum geht davon aus, «dass solche Einschränkungen am 8. Juni fallen könnten, insbesondere, wenn die Fallzahlen weiter tief bleiben». 

Aufmerksam auf das Auslege-Verbot wurde Patrick Vallélian übrigens nur ein paar Tage, nachdem das Parlament Krisenhilfe für die Medien beschlossen hatte. Es war eine weitere bittere Pille: Wie alle Online-Medien war auch sept.ch leer ausgegangen bei der Krisenhilfe. Für den Online-Verleger «eine völlig groteske Entscheidung in einer Zeit, in der die Medien ihr Angebot digitalisieren, um den Anforderungen ihrer Leser und des Marktes gerecht zu werden».