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Montag
17.08.2020

Marketing / PR

Edwin van der Geest: «Die Wirtschaftskrise, in der wir stecken und die vermutlich noch verstärkt auf uns zukommt, wird die Spreu noch deutlicher vom Weizen trennen...»

Edwin van der Geest: «Die Wirtschaftskrise, in der wir stecken und die vermutlich noch verstärkt auf uns zukommt, wird die Spreu noch deutlicher vom Weizen trennen...»

Franz Egle und Edwin van der Geest, heute beide Senior Partner der Dynamics Group, haben 2006 gemeinsam das Beratungsunternehmen gegründet. Zur Zeit arbeiten 25 Personen für die Gruppe.

Der Klein Report hat sich mit dem Mitinhaber Edwin van der Geest über die Sticheleien von Journalistenkollegen gegen die Dynamics Group, die Kommunikation als Modeberuf und das Etikett «Neoliberaler», das man ihm anheften möchte, unterhalten:

Sie sind nach aussen der Kopf der Gruppe. Vor Kurzem haben Sie das Verwaltungsratspräsidium übernommen. Was ist der Grund dafür?
Edwin van der Geest: «Das ist eher eine Bürde als eine Würde! Der VR ist bei uns im Wesentlichen für das Administrative verantwortlich. Das massgebliche Entscheidungsorgan unserer Gruppe ist das Partnermeeting, an dem alle Partner und Senior Partner je eine Stimme haben. Ich hatte mich 2013 nach sieben Jahren Aufbauarbeit aus dem Gremium zurückgezogen, um zu meinem damals 50. Geburtstag neben der Betreuung meiner Klienten einen Traum umsetzen zu können: Den sitzungsfreien Freitag, den ich, wenn immer möglich, wandernd oder bergsteigend verbringe. Mitte letzten Jahres habe ich mich dann aber bereit erklärt, wieder für zwei bis drei Jahre mehr Verantwortung für die Gruppe zu übernehmen, seit Mai als Präsident.»

In den letzten Wochen ist es zu Wechseln bei der Dynamics Group gekommen. Beraterin Bettina Mutter gründet eine eigene Agentur und verlässt die Dynamics Group; eine neue Partnerin kommt dazu. Ist das ein Ab- oder ein Aufbau?
Van der Geest: «Es ist schön und bemerkenswert, dass Personalien bei uns als relevant wahrgenommen werden! Ich habe Bettina unterstützt in ihrem Wunschentscheid, zusammen mit ihrer Assistentin eine eigene Firma zu gründen. Wir arbeiten weiterhin auf Mandaten im Healthcare- und Real-Estate-Bereich zusammen und gehen auch gerne zusammen in die Berge...»

...und was verändert sich sonst noch...?
Van der Geest: «Die Dynamics Group wird weiter qualitativ wachsen, mehrheitlich auf Partnerstufe. Es werden Ende Jahr vermutlich 16 sein. In Bern kommt am 1. September die Public-Affairs-Fachfrau Alexandra Thalhammer als Partnerin zu uns, die bisher das Berner Büro von BCW, ehemals Burson Marsteller, geführt hat. In Zürich stösst im November ein langjähriger Equity-Broker als weiterer Partner im Kapitalmarktbereich zu uns. In Genf haben im April und Mai zwei erfahrene Senior Berater mit Partnerpotential ihre Arbeit aufgenommen, und in Lausanne prüfen wir gerade die Nomination eines Corp-Comm-Profis als zusätzlichen Partner, um die bisherige Präsenz mit Partner Thierry Meyer noch in diesem Jahr zu einer Niederlassung ausbauen zu können.»

Die «SonntagsZeitung» stichelt immer mal wieder gegen die Dynamics Group, bei denen einige ehemalige Journalistinnen und Journalisten heute als Berater arbeiten. Senior Partner Andreas Durisch war einmal Chefredaktor des Sonntagsblattes (1997-2010). Marianne Fassbind, ehemals SRF-Wirtschaftsredaktorin, und Thierry Meyer, ex Chefredaktor der Tageszeitung «24heures», sind weitere Ex-Medienschaffende. Wie bewerten Sie das aus Sicht der Dynamics Group?
Van der Geest: «Die Ex-Medienschaffenden sind sehr wertvoll, besonders in der Kombination mit den anderen Partnern, die aus der Beratung, dem Public-Affairs-Bereich oder Kommunikationsabteilungen kommen. Komplementäres Fachwissen, Netzwerke und Persönlichkeiten machen unsere Stärke für die Klienten aus. Darum arbeiten wir auch in Teams, in offenen Büros und nicht in Einzelzimmern.»

Gibt es, ganz grundsätzlich gefragt, ein gutes oder schlechtes Verhältnis zwischen Medienschaffenden und in die PR-Beratung gewechselten Journalisten?
Van der Geest: «Das ist sehr unterschiedlich. Es ist vor allem die individuelle Persönlichkeit, die über Erfolg und Akzeptanz entscheidet. Medienschaffende, gerade Chefredaktoren, standen im Rampenlicht und hatten einen sehr hohen Bekanntheitsgrad, aufgrund ihrer Schreibe und ihrer Funktion. Es gibt jeweils eine gewisse Skepsis gegenüber ehemaligen Kollegen, welche die Seite wechseln. Das Verhältnis entspannt sich bald, wenn beide Seiten ihre Aufgabe professionell angehen. Für die Journalisten ist es wertvoll, wenn sie Gesprächspartner haben, welche die Anliegen der Medien verstehen und gleichzeitig über profundes Wissen in Wirtschaft und Politik verfügen. Diese Mittlerfunktion nehmen wir wahr.»

Wie ist das Verhältnis der angestellten ehemaligen Journalisten und anderer Berufsgattungen heute in Ihrer Agentur? Hat sich das seit 2006 verändert, wenn ja, in welcher Art?
Van der Geest: «Franz und ich haben 2006 eine Struktur und ein Geschäftsmodell gewählt, welches Unternehmertum voraussetzt und fördert. Wir funktionieren nach dem Prinzip, dass jeder Kopf gleich viel an den Overhead beiträgt, egal wie viel er oder sie umsetzt...»

Wie funktioniert das genau?
Van der Geest: «Jeder Partner entscheidet auch selber, ob und wie viele Angestellte er haben oder sich leisten will. Diese wiederum werden ab einer gewissen Stufe (Senior Consultant) direkt und transparent über das von ihnen erzielte Unternehmensergebnis entschädigt in Bezug auf den Bonus, der gegen oben offen ist. So sollen auch diese zu Unternehmern heranwachsen. Dann geben wir hin und wieder Praktikanten eine Möglichkeit, bei uns zu schnuppern. Das hilft uns alten Hasen, die neuen Technologien und Arbeitsweisen der Nachfolgegeneration zu erleben. Das Modell hat sich sehr bewährt. Mein «Übervater» Ernst Thomke hat mich vom Unternehmertum überzeugt, als er mich 1996 als gleichzeitiger Kommunikationschef von Bally und Saurer selbständig machte. Er hatte Recht.»

Wie erleben Sie als Unternehmer Journalisten, welche die Branche wechseln möchten und bei der Dynamics Group anklopfen?
Van der Geest: «Sie müssen erkennen, dass nicht ihr Ruf, sondern ihre Persönlichkeit, ihr Netzwerk und Fachwissen über Erfolg oder Nichterfolg entscheiden. Das stellen sich viele etwas zu einfach vor, weil sie ja schliesslich viele Leute kennen und gefragt sind. Das bezieht sich aber oft eben auf die Funktion und nicht auf die Person. Das ist bei Leitern von Kommunikationsabteilungen übrigens genau gleich. Als Berater müssen sie auch demütiger sein und sich im Schatten ihrer Klienten wohlfühlen. Das können nicht alle.»

Gibt es hier einen Trend?
Van der Geest: «Ich sage potenziellen Partnern immer dasselbe: Wer Erfolg als strategischer Berater auf unserem Niveau von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen haben will, braucht neben Fachwissen und Netzwerk vor allem eines: Er oder sie muss Menschen gerne haben. Die Neugierde und der Wille, sich echt für andere Menschen einsetzen zu wollen, muss in der DNA stecken.»

Generell ein Ausblick für das zweite Halbjahr, was die Dynamics Group betrifft. Wie schätzen Sie die Nachfrage nach Strategie- und Kommunikationsberatung ein?
Van der Geest: «Die Wirtschaftskrise, in der wird stecken und die vermutlich noch verstärkt auf uns zukommt, wird die Spreu noch deutlicher vom Weizen trennen. Grundsätzlich stimulieren solche Situationen unser Geschäft. Wir profitieren im Weiteren zunehmend von den massiven Veränderungen im Kapitalmarkt durch Mifid 2. Der Zerfall des Brokerage stärkt die Nachfrage nach IR-Dienstleistungen und Research auf Unternehmensseite. Der Erfolg unserer Kapitalmarktkonferenz Investora ist ein gutes Beispiel dafür. Auch die Entwicklung im ESG-Bereich schafft laufend neuen Beratungsbedarf.»

Was gibt es wegen der Corona-Pandemie für eine veränderte Nachfrage bei Euch?
Van der Geest: «Es gibt natürlich Projekte im Bereich des «Can Do» und «Nice to have», die zurückgestellt werden. Dafür ist Krisenmanagement mehr gefragt, eines unserer Kernangebote. Auch der Druck zum Outsourcing wird weiter zunehmen. Wir sind zuversichtlich. Dank der Partnerstruktur sind wir zudem extrem flexibel. Wir müssen ‚keine Fabrik füllen‘.»

Im Zusammenhang mit dem Zürcher Kulturveranstalter Kosmos sind Sie selber in die Schlagzeilen geraten. Unter anderem wegen Ihrer Nähe zur NZZ-Gruppe (Freunde der NZZ) wurden Sie auch schon als «Neoliberaler» bezeichnet. Sie haben sich dann nicht mehr zur Wahl gestellt...
Van der Geest:
«Leider war hier zeitweilig zu viel Ideologie im Spiel. Ich habe nur dazu beigetragen, dass ein komplett zerstrittener Verwaltungsrat, der die Unternehmensentwicklung des Start-ups blockiert hat, von einem Übergangs-Gremium abgelöst wurde. Dieses hat während eines Jahres sichergestellt, dass zusammen mit der Geschäftsleitung dringend notwendige organisatorische und betriebliche Pendenzen und Verbesserungen erledigt und umgesetzt werden konnten...»

Und die Wiederwahl ins VR-Gremium?
Van der Geest: «Für eine Wiederwahl stand ich von Anfang an nicht zur Verfügung, das Kosmos braucht sehr viel zeitliches Engagement. Ich hoffe aber, dass der neue Verwaltungsrat den Weiteraufbau dieses tollen Kulturprojektes zusammen mit dem Leitungsteam in Ruhe fortsetzen kann.»

Wie haben Sie den Richtungsstreit bei Kosmos erlebt, bei dem der Verwaltungsrat neu mit fünf Frauen besetzt ist?
Van der Geest: «Es ist kein Richtungsstreit. Es geht eher um Egos und Eitelkeiten. Das Konzept von Kosmos ist alleine schon durch das Gebäude gegeben. Der angebliche Rechtsrutsch war ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker und ein Ablenkungsmanöver von den internen Unstimmigkeiten, auf das erstaunlicherweise sogar einige namhafte Medienschaffende und Kulturschaffende aufgesprungen sind. Mit der Realität hatte und hat das nichts zu tun.»

Und zum Schluss noch eine ganz andere Frage: Was empfehlen Sie jungen Menschen, die in die Kommunikation einsteigen wollen?
Van der Geest: «Kommunikation ist zu einem Modeberuf geworden. Es gibt heute unzählige Ausbildungsmodule – aber das ist eben nicht alles. Mein erster Arbeitgeber, Peter Bütikofer (Peter Bütikofer AG), hat mich als frischen Hochschulabgänger nicht wegen der Zeugnisse eingestellt, sondern zu meiner Verblüffung, weil ich mein Studium als Lastwagenfahrer und reiseleitender Carchauffeur mitfinanziert hatte. Daraus habe ich abgeleitet, dass nicht die Ausbildung alleine, sondern die Persönlichkeitsstruktur und das Engagement darüber entscheiden, ob man im richtigen Beruf ist. Ich ermutige alle Jungen, ihr CV und ihre Berufswahl auch nach diesem Gesichtspunkt zu gestalten und anzugehen.»