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Sonntag
30.04.2017

Medien / Publizistik

«Ich würde gern Stopp drücken»

«Ich würde gern Stopp drücken»

Wilde Farbstriche und Punkte in allen Farben des Regenbogens: Der redaktionelle Inhalt war beim Pendlerblatt «20 Minuten» in der Freitagsausgabe nur sekundär. Das Vermarktungsexperiment, bei dem die Grenzen von Publizistik und Werbung einmal mehr neu gesetzt wurden, stösst bei Leserinnen und Lesern auf Kritik.

Zur Lancierung des neuen Samsung Galaxy S8 durften die Werbeagentur Jung von Matt/Limmat und das Luzerner Studio Feixen tief in den Farbkessel greifen. Punkte, Striche, Smileys und nur schwer identifizierbare Formen lenkten die Aufmerksamkeit von den Texten auf die Werbung für das neue Mobiltelefon aus Südkorea.

«Die Verantwortlichen von Jung von Matt und Studio Feixen waren am Donnerstag bei uns auf der `20 Minuten`-Redaktion und haben die spezielle Design-Ausgabe vom Freitag gemeinsam vor Ort umgesetzt», erklärt Nicole Bänninger, Medienverantwortliche von Tamedia, gegenüber dem Klein Report.

Der Tiefpunkt in Sachen Layout wurde spätestens auf Seite 18/19 erreicht: Dort verdeckte ein langgezogenes, dunkelblau-violettes Etwas bezeichnenderweise den Artikel mit dem Titel «Ich würde gern Stopp drücken» fast vollständig und machte ihn über weite Teile unleserlich. Wie im Film «Spiderman 2», in dem Peter Parker zwischenzeitlich von einer dunklen, bösen Macht beherrscht wird, hat auch in «20 Minuten» die dunkelviolette Werbung über den Journalismus zwischenzeitlich Oberhand gewonnen.

«Bei 2 Millionen Leserinnen und Lesern gibt es natürlich auch negative Reaktionen», stellt Bänninger realistisch fest. «Wir bedauern, wenn wir jemanden mit der heutigen Ausgabe verärgert haben. `20 Minuten` ist bekannt dafür, bei neuen Werbeformen stets neue Wege zu gehen. Die heutige Design-Ausgabe war auch ein Experiment, wie weit das Zusammenspiel zwischen Form und Inhalt gehen kann. Solche Aktionen werden aber eine Ausnahme bleiben», sagt sie weiter.

Nimmt man die Reaktionen in den Social Media als Massstab, so muss das Experiment als gescheitert betrachtet werden. Leserinnen und Leser werden es Tamedia wohl verzeihen, sobald sie die nächste Gratiszeitung in der Hand halten. Ärgerlich ist die Aktion jedoch für weitere Kunden, die am Freitag Anzeigen im Gratisblatt schalteten: Denn in den meisten Fällen wurde «20 Minuten» ausnahmsweise bereits nach 5 Minuten wieder entnervt beiseite gelegt.