Interviews gibt es in allen möglichen Formen - auch bei «20 Minuten». In der Print-Ausgabe vom Dienstag mutete ein Interview mit dem Doodle-Chef Gabriele Ottino allerdings komisch an. Darin beantwortete er die Fragen des Redaktors und berichtete ganz nebenbei von der neuen Webseite der Tech-Firma, die zu Tamedia gehört - noch lange bevor eine offizielle Mitteilung des Medienkonzerns in den Posteingang des Klein Reports flatterte.
«In Zukunft findet der Roboter die besten Termine», so betitelte die Pendlerzeitung «20 Minuten» das Doodle-Interview mit Chef Gabriele Ottino. Darin gab er grosszügig Auskunft über sein Unternehmen und stellte den überarbeiteten Internetauftritt von Doodle vor. Auffallend dabei: Die offizielle Bekanntmachung der neuen Webseite erfolgte zwar gleichentags, doch das Interview war bei «20 Minuten» schon lange gemacht, gedruckt und hunderttausendfach verteilt.
Was das Ganze pikant macht, ist die Tatsache, dass Doodle seit 2014 zum Medienhaus Tamedia gehört, das gleichzeitig auch Herausgeber von «20 Minuten» ist - was im Artikel transparent gekennzeichnet wurde. Und so wirkten die gestellten Fragen wie «Vor einem Jahr kaufte Doodle die israelische Firma Meekan. Wozu?» oder «Wie wichtig ist für Doodle die Schweiz?» harmlos, narkotisierend und kaum investigativ.
Der Journalist, der gemäss Seite 16 im Wirtschaftsteil des Blattes das Interview verfasste, war für den Klein Report am Dienstag nicht zu erreichen. Nach einem Anruf auf die Redaktion von «20 Minuten» meldete sich dafür Sandro Spaeth, Ressortleiter Wirtschaft: «Das Interview wurde journalistisch geführt», versicherte er dem Klein Report. Zudem seien die für die Leserschaft «relevanten Fragen» gestellt worden.
Der Verdacht liegt jedoch nahe, dass es sich hierbei um eine PR-Aktion von Tamedia handelte: Im Vornherein das zugekaufte Unternehmen, das sich auf Online-Terminplanungen spezialisiert hat, in seiner Gratis-Publikation zu pushen. Doch Spaeth dementierte entschlossen die Unterstellungen: «Aufgrund der grossen Reichweite und der konsumentennahen Berichterstattung erhalte ich als Leiter der Wirtschaftsredaktion von `20 Minuten` wöchentlich Interviewangebote.»
«Auch Doodle kam mit dem Gesprächsangebot auf uns zu und informierte uns über die bevorstehenden Änderungen. Da Doodle eine der wenigen Schweizer Tech-Firmen mit grossem internationalem Bekanntheitsgrad ist und der Grossteil unserer Leser Doodle nutzen, erachteten wir das Thema als relevant und nahmen das Gesprächsangebot an», rechtfertigte Spaeth die Publikation des substanzlosen Interviews.
Der Klein Report kommentiert: Spaeths Argument, dass die Redaktion die für die Leserschaft «relevanten Fragen» gestellt habe, sei dahingestellt. Wenn ein Journalist fragt, ob die Schweiz wichtig für Doodle sei, dann ist das weder eine relevante Frage für den Leser von «20 Minuten», noch für den Kunden von Doodle - sondern höchstens für den Firmenchef selber.